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Wie man DM-Profite mit Rubeln vermehrt

Ostdeutsch-polnische Joint-ventures haben über Transferrubel die polnische Staatskasse geplündert  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Polnische und ostdeutsche Betriebe haben an der Währungsunion vom 1.Juli 1990 Hunderte von Millionen DM verdient — zu Lasten des polnischen Staates. Der muß nun, obwohl er ohnehin unter Devisenmangel leidet, in harter D-Mark das polnische Zahlungsbilanzdefizit gegenüber Ostdeutschland ausgleichen, wie der polnische Oberste Rechnungshof jetzt in einem Bericht für das Parlament festgestellt hat. Die Abgeordneten hatten vor einem Jahr den Prüfern aufgetragen, herauszufinden, wieso nach der deutschen Währungsunion Polens traditioneller Handelsbilanzüberschuß gegenüber der DDR sich über Nacht in ein riesiges Defizit verwandelt hatte: War dort alles mit rechten Dingen zugegangen? Die Antwort der Prüfer ist ein klares Nein.

Als am 1.Juli 1990 die Währungsunion in Kraft trat, legte die Bundesregierung den Rubelkurs entsprechend dem damaligen DM/Ostmark- Kurs auf 2,34 Mark pro Rubel fest. Zur gleichen Zeit bekam man in Polen für einen Rubel 2.100 Zloty — nach damaligem Kurs keinesfalls 2,34 Mark, sondern nur 35 Pfennige. So erhielt ein ostdeutsches Unternehmen, das einen Kühlschrank im Wert von 1.000 D-Mark nach Polen exportierte, 427 Transferrubel. Um denselben Kühlschrank zu erwerben, mußte ein polnischer Käufer umgerechnet nur 150 DM bezahlen. Mehr noch: Für den Preis von 1.000DM war der Kühlschrank in Westdeutschland nicht absetzbar, als Rückimport aus Polen kostete er — einschließlich 100 Prozent Gewinnaufschlag — gerade mal 300DM.

Es kam, wie es kommen mußte. Hatte Polen im ersten Halbjahr 1990 noch einen Handelsbilanzüberschuß von 110 Millionen Transferrubel gegenüber der DDR, verwandelte der sich im zweiten Halbjahr in ein Defizit von 846 Millionen Transferrubeln, den Polen nunmehr in harter Währung ausgleichen sollte: Fällig wären so runde zwei Milliarden Mark, über die noch verhandelt wird. Importiert wurde in Wendezeiten alles, was nicht niet- und nagelfest war: über Trabbis und Wartburgs, deren Import inzwischen verboten wurde, bis zu Waschmaschinen und vermutlich auch Waffen aus NVA-Beständen. Unter den Importeuren befindet sich nämlich auch ein aufs Waffengeschäft spezialisierter Außenhandelsbetrieb namens Cenzin GmbH, der für zwei Millionen Rubel in der DDR einkaufte.

Daß Finanzministerium und Nationalbank dem Treiben praktisch tatenlos zusahen und nicht, wie mehrfach vorgeschlagen wurde, einfach den Rubel aufwerteten, ist dabei nur eines der Rätsel. Inzwischen haben die Prüfer des Rechnungshofes nämlich festgestellt, daß viele Betriebe nur auf dem Papier importierten. Die Warschauer Firma Batax, registriert auf den Bahamas und betrieben von einem polnischen Auswanderer, zahlte so 9,8 Millionen Rubel für Waren, die sie nie erhielt. Ihr ostdeutscher Partner, die VEB Interpelz in Leipzig, schickte in drei Raten das Geld zurück — allerdings nicht als Rubel, sondern in DM und Dollar. Der Betrag stimmte, Batax erhielt genau jene umgerechnet 3,5 Millionen DM zurück, die sie gen Westen geschickt hatte. Doch die Interpelz, so der Bericht, verwandelte über den Rubelkurs die 3,5 Millionen in 23 Millionen DM, die Polens Handelsbilanz belasten.

Andere Firmen verlangten ihre Vorrauszahlungen nicht einmal zurück, was einen schwerwiegenden Verstoß gegen polnisches Devisenrecht bedeuten würde, hätte das Finanzministerium nicht rechtzeitig den Transferrubel von einem Zahlungsmittel zu einer Verrechnungseinheit umdefiniert. Zur damaligen Zeit unterlag der Import gegen diese Verrechnungseinheit noch der Genehmigungspflicht. Doch die Warschauer Bank Handlowy interessierte sich weder dafür, ob eine Firma die Genehmigung hatte, noch, ob die Ware auch tatsächlich importiert worden war — sie wechselte die Rubel anstandslos in Zloty. So kam es, daß private Importeure für 407,3 Millionen Rubel Waren importierten, obwohl sie nur Genehmigungen für 123,8 Millionen besaßen.

Einige der Firmen davon sind den Prüfern nur zu gut bekannt. So etwa die Acumen GmbH aus Kielce, die einem der inzwischen reichsten Männer Polens gehört und bereits zweimal in die Schlagzeilen kam. Einmal, als sie am Fiskus vorbei riesige Mengen Alkohol importierte, das andere Mal, weil sie den Rubel- Coup mit umgekehrten Vorzeichen landete: So ließ sie einen Liefervertrag über 30.000 Tonnen Treibstoff aus Rotterdam von einer bulgarischen Firma in Transferrubel ausfüllen, um so die Berechnungsgrundlage für Umsatzsteuer und Zoll zu senken. Zu dieser Zeit war der Transferrubel als internationale Zahlungseinheit abgeschafft. Inzwischen hat die Firma Probleme mit dem Staatsanwalt.

Die drohen nun auch anderen Begünstigten des Rubelsegens. Obwohl sich die zuständigen Ministerien 1990 nicht aufraffen konnten, gegen den Importboom aus dem Westen einzuschreiten, verlangten sie doch von den Importeuren, Teile der Kursgewinne in den Exportförderungsfonds des Finanzministeriums einzuzahlen. Kaum jemand aber tat das. Bestrafen kann man die Kursgewinnler dafür vielleicht; das Geld nachzufordern, dürfte jedoch schwierig werden: Der Fonds befindet sich ganz offiziell in Auflösung.

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