piwik no script img

Die Polizei belieferte BASF frei Haus

Neue Dimension im BASF-Datenschutzskandal: Auch Angaben über Werksangehörige lieferte die Polizei dem Werkschutz des Chemieriesen, sogar ohne darum gebeten worden zu sein  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der BASF AG in Ludwigshafen, Ulrich Nickel, bestätigte gestern auf Nachfrage Informationen der taz, wonach der „Ermittlungsdienst“ des Werkschutzes bereits im Jahre 1988 von der Polizei — hart am Datenschutzrecht vorbei — mit Informationen über Werksangehörige „versorgt“ worden sein soll. Seinerzeit wurden die Daten von zwei Auszubildenden des Chemiegiganten, die an einer Demonstration in Mannheim teilgenommen hatten, nach einer Personalienüberprüfung durch die Polizei von der Polizei an die Werkschützer weitergegeben. BASF stufte die beiden Azubis danach als „politisch unzuverlässig“ ein und verweigerte ihnen nach dem Ende ihrer Lehrzeit zunächst die Weiterbeschäftigung im Werk. Der Betriebsrat wandte sich an die baden- württembergische Datenschutzbeauftragte Ruth Leuze. Nach einem „klärenden Gespräch“ (Nickel) der Datenschützerin mit der Werkleitung seien die beiden „Demonstranten“ dann doch eingestellt worden — und die Akten verschwanden in den Archiven der BASF.

Der Fall der beiden Auszubildenden ist Beleg dafür, daß im BASF- Datenschutzskandal nicht nur die Daten von Angehörigen sogenannter Fremdfirmen aus den Polizeicomputern frisch auf den Tisch der BASF kamen, wie von der Werkleitung bislang behauptet. Und er ist Beleg dafür, daß die Polizei aus Gefälligkeit Daten und „Erkenntnisse“ an BASF weitergab — auch ohne konkrete Anfrage vom Werkschutz des Konzerns.

Wie die Werkleitung nach ersten Dementis inzwischen eingestehen mußte, seien monatlich „bis zu 300 Karteikarten mit Personaldaten“ zur Überprüfung an das Polizeipräsidium Ludwigshafen weitergeleitet worden. Der rheinland-pfälzische Datenschutzbeauftragte Rudolf nannte das eine regelrechte „Raster- oder Schleppnetzfahndung“, die von der BASF damit begründet wurde, daß das Personal von Fremdfirmen für mehr als die Hälfte aller Diebstähle im Werk die Verantwortung trage.

Betriebsrat Nickel sprach gegenüber der taz von einem „ungeheuren Skandal von noch nicht absehbaren Ausmaßen“. Von den Praktiken der innerbetrieblichen Ermittlungsgruppe habe der Betriebsrat „nichts gewußt“. Im „Fall der Lehrlinge“ aus dem Jahre 1988 sei der inzwischen verstorbene Ex-Betriebsratsvorsitzende der BASF tätig geworden. Aus diesem Einzelfall hätten damals aber keinerlei Rückschlüsse darauf gezogen werden können, daß Personaldaten aus der BASF — wie jetzt bekannt — regelmäßig von der Polizei im polizeilichen Informationssystem „Polis“ einer Überprüfung unterzogen wurden. Im Zusammenhang mit dem Datenskandal hat der Betriebsrat der Werkleitung inzwischen einen Fragenkatalog vorgelegt, der gestern abend Gegenstand einer Sondersitzung von Betriebsrat und Werkleitung war. Nickel: „Die Mitarbeiter haben ein Recht auf schnelle Offenlegung der betrieblichen Gepflogenheiten und auf Transparenz darüber, wie mit ihren ganz persönlichen Daten umgegangen wird.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen