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Sensation im Bremer Untergrund

■ Kogge aus dem Jahre 1100 bei Bauarbeiten an der Schlachte entdeckt

Einen sensationellen Fund meldete gestern die Bremer Kultursenatorin Helga Trüpel. Bei Kanalbauerbeiten direkt am früheren Umschlagplatz der Hansekoggen waren die Reste einer Kogge entdeckt worden. Der Fund datiert etwa auf die Zeit um 1100. „Das ist der wahrscheinlich älteste Koggenfund“, meint Landesarchäologe Manfred Rech.

Ganz besonders interessieren sich die Wissenschaftler für die Bauart der Kogge. „Hier begegnen sich Steinzeit und Mittelalter“, sagt der Direktor des Bremerhavener Schiffahrtmuseums Detlev Ellmers.

Der Boden des Schiffes besteht aus einem Einbaum, in den die Spanten eingedübelt sind. An diesen waren die Planken befestigt, von denen noch ein Teil erhalten ist.

Die Besonderheit bei der Schlachte-Kogge besteht in der schweren eisernen Öse am Heck, die Aufhängung eines Ruders. Der bislang älteste Nachweis einer Kogge mit Heckruder fand sich auf dem Elbinger Stadtsiegel aus dem Jahre 1242. „Vor uns liegt das Missing Link zwischen Einbaum und Kogge“, sagt Ellmers. „Mit diesem Fund wird Bremen zum Mekka der Koggenforschung.“

Die Kogge liegt in 14 Metern Tiefe und damit noch etwa vier Meter unter dem Wasserspiegel der Weser. Am Rande eines Schachtes war die Baufirma im Juli vergangenen Jahres auf die ersten Schiffsplanken gestoßen. Als klar wurde, wie wertvoll der Fund ist, trieben die Bauarbeiter einen weiteren Schacht in den Bremer Untergrund und legten die entscheidenden Wrackteile frei.

Der größte Teil des vermutlich etwa 24 Meter langen Schiffes wird dort bleiben, wo er ist. Interessant ist allein der untere Teil des Achterschiffs, an dem die Bauweise nachgewiesen werden kann.

Es ist ein kleines Wrackteil, das der Archäologe voraussichtlich in der kommenden Woche bergen wird. „Darüber freut sich niemand mehr als ein Museumsmann“, meint Detlev Ellmers. „Alle wichtigen Informationen können anhand des Fundes sichtbar gemacht werden und die Bergung und Konservierung bleibt trotzdem im Rahmen unserer Möglichkeiten.“ Ein weiteres langes Schiff wie die Hansekogge, die 1962 gefunden worden war, hätte das Schiffahrtsmuseum nur schwer verkraften können. Die Schiffsteile müssen fürs erste im Konservierungsbad verschwinden.

Bei den Bauarbeiten entlang der Weser förderten die Bagger reichlich archäologisch brisanten Schlick zu Tage. „Allein die Liste der Funde ist -zig Seiten lang“, meinte gestern der Grabungstechniker beim Landesarchäologen, Carl Christian von Fick. Er begleitet alle Erdarbeiten und stellt sicher, was gefunden wird. „Es gibt keinen, der sich in Bremens Untergrund besser auskennt.“ Damit sich die BremerInnen ein Bild von der Kogge und den weiteren Funden machen können, hat er eine Schautafel erstellt, die neben der Baugrube an der Ecke Schlachte/Bürgermeister Smidt- Str. aufgehängt werden soll.

Jochen Grabler

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