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Ein Herz für Makler wird belohnt

Noch keine Verdächtigen im Berliner Skandal um Handel mit Eigentümeradressen/ Staatsanwälte hatten bereits im letzten Jahr gegen Investor ermittelt/ Lecks auch im Potsdamer Vermögensamt?  ■ Von M.Sontheimer/H.-M.Tillack

Berlin (taz) - Die Ermittlungen der Berliner Staatsanwälte richten sich nach wie vor gegen „Unbekannt“. Gegen Mitarbeiter des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV) war am Dienstag, wie berichtet, der Verdacht aufgekommen, sie hätten Namen und Adressen von Alteigentümern an Makler weitergegeben. Ob LAROV-Mitarbeiter dafür womöglich bestochen wurden, vermag Justizsprecherin Uta Fölster nicht zu sagen. Dafür gebe es bisher keine Anhaltspunkte.

Die Staatsanwälte können bei ihren Ermittlungen auf frühere Recherchen zurückgreifen. Schon letztes Jahr war das LAROV in Verruf geraten, weil es die Adressen der Alteigentümer von über 60 Grundstücken im Ostteil der Stadt an einen privaten Investor weitergegeben hatte. Damals hatte die Central European Development Corporation Group des Ex-US-Botschafters in Ungarn, Mark Palmer, von der Offenherzigkeit des Amtes profitiert. Die überlastete Staatsanwaltschaft stellte ihre Ermittlungen im Herbst wieder ein. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) zog erst Konsequenzen, nachdem ihn Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) auf die offenkundigen Rechtsverstöße seines Amtes aufmerksam gemacht hatte.

Erst im September habe Pieroth eine Dienstanweisung zurückgezogen, die das Amt zur Weitergabe von Daten an Investoren ermutigt hatte, heißt es. Die Praxis bestand jedoch offenbar fort. „Ich wundere mich, daß erst jetzt ermittelt wird“, sagt der Immobilienauktionator Hans Peter Plettner. Daß der Handel mit Adressen von Alteigentümern floriert, war Insidern bereits seit mindestens einem halben Jahr bekannt. „Auf diesem Schwarzmarkt“, wußte bereits im September letzten Jahres eine Angestellte der Wohnungsbaugesellschaft Mitte zu berichten, „kursiert eine Liste mit Antragstellern von 83 Grundstücken, die für 10.000 DM gehandelt wird“. Gleichzeitig wunderten sich zahlreiche Anspruchsteller, auf welchem Wege Bendzko-Immobilien und andere notorische Anspruchshändler an ihre Adressen kommen konnten, um ihnen schriftliche Kaufangebote zu unterbreiten. Aber nicht nur im Berliner LAROV gab es Lecks. Der Berliner Rechtsanwalt Jonny Eisenberg, der im benachbarten Potsdam für einen Mandanten einen Antrag gestellt hatte, wurde bereits im November 90 unter Bezug auf die Grundstücksnummer von der in Berlin angesiedelten „JOVE Wirtschaftsberatungs- und Koordinierungs-GmbH“ angeschrieben. Eisenberg: „Und diese Firma war nicht die einzige, die den starken Eindruck erweckte, über Informationen aus dem Potsdamer Amt zur Regelung offener Vermögensfragen zu verfügen.“

Der Skandal um „das Amt“, wie es in der Bauszene genannt wird, nährt erneut Zweifel an den gesetzlichen Regelungen zu ungeklärten Eigentumsfragen in Ostdeuschland. Laut Vermögensgesetz haben Restitutionsansprüche Geldwert und sind demnach legal handelbar. Eine von dem Rechtsanwalt Karlheinz Knauthe im Frühsommer formulierte und vom Senat beschlossene Regelung wertete sie noch einmal erheblich auf. Nach dieser „Lex Knauthe“ erhalten bei konkurrierenden gleichwertigen Bauprojekten diejenigen Investoren den Zuschlag, die einen Restitutionsanspruch formuliert beziehungsweise gekauft haben. Also versuchen Investoren die Ansprüche, welche auf den Arealen lasten und auf die sie spekulieren, aufzukaufen.

Makler versuchen auf diesem grauen Markt wiederum den Investoren zuvorzukommen. Einer der größten Berliner Maklerfirmen, Bendzko-Immobilien, wirbt gar auf einer überdimensionalen Werbeaufschrift für den Anspruchshandel.

Jetzt geraten die Makler in das Fadenkreuz von Kripobeamten, Staatsanwälten und Datenschützern. Der Berliner Datenschutzbeauftragte schickte bereits ein Team in das LAROV, das dort die gesamte Datenverarbeitung prüft. Die Prüfung, so die stellvertretende Datenschutzbeauftragte Claudia Schmidt, könne zwei bis drei Wochen dauern. Wolfgang Gruhn, Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des Rings Deutscher Makler, hat harte Konsequenzen für illegale Adressenbeschaffer angedroht. Diese Mitglieder würden sofort aus dem RDM ausgeschlossen.

„Auch der Amtsleiter Arno Wegener muß gehen“, befindet Auktionator Plettner. Senator Pieroth wird dieser Forderung kaum nachkommen. Erst vor wenigen Wochen hatte er seinen Parteifreund Wegener um zwei Gehaltsstufen befördert.

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