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Eine Matinee der Weltpolitiker

■ Elder Statesmen trafen sich zu einer hoch gesponserten Gesprächsrunde in der Berliner Staatsoper

Berlin (taz) — Trudeau war krank, Arias familiär verhindert, und Eduard Schewardnadse hatte soeben beschlossen, für die Präsidentschaft Georgiens zu kandidieren — so blieben für die „Erste Berliner Konferenz der Weltpolitiker“ nur Helmut Schmidt, Yasuhiro Nakasone und James Lord Callaghan. Alle drei waren nach einer gescheiterten Politik unfreiwillig aus dem Amt geschieden, also prädestiniert für die Rolle der Elder Statesmen. Der öffentliche Auftritt der Weltpolitiker fand in der Staatsoper unter den Linden statt und war von dem „Southern Center of International Studies“ organisiert worden, einem Unternehmen, das „weder politische Positionen bezieht“ noch „Versuche unternimmt, Politik einseitig zu beeinflußen“. Sein Sitz ist in Atlanta, Georgia, wo sich zufällig die Zentrale einer anderen Weltinstitution, Coca-Cola, befindet, die, neben anderen Unternehmen und Persönlichkeiten, verdienstvollerweise auch die 1,1 Millionen aufgebracht hat, die Hotels, Personenschutz, Miete etc. verschlangen. Dafür durften die Sponsoren, „Contibutors und Cohosts“, auch auf der Bühne, eingepfercht in zierliche Rokkokosessel, Platz nehmen.

Nach diesen kleinlichen Vorbemerkungen zur Diskussion: Während Callaghan sich dem ruinierten Zustand seines Heimatlandes entsprechend zurückhielt, sanfte Ermahnungen und artige Komplimente an die Adresse der Deutschen richtete und im übrigen für die Stärkung der UNO eintrat, langte Schmidt in die Vollen. Von der drohenden Bevölkerungsexplosion über die Klimakatastrophe bis zur Migrationswelle ließ er kein Katastrophenthema unbearbeitet. Statt der versprochenen Neuen Weltordnung schlitterten wir in eine „Ära der Unsicherheit“. Die Amerikaner, weit davon entfernt, ihre Rolle als Supermacht nachzuleben, verzehrten die Ersparnisse anderer Nationen. Von einer Friedensdividende weltweit keine Spur, vielmehr eine Kapitalknappheit, die verhinderte, daß die für den Nord- Süd-Ausgleich nötigen Summen aufgebracht werden könnten. Können sich die USA überhaupt hochrappeln, und wenn ja, in welchem Zeitraum? Japans Nakasone veranschlagte vier Jahre, Schmidt verdoppelte. Über die Nachfolgestaaten der Sowjetunion war von den Weltpolitikern wenig Prognostisches zu hören. Die drei waren sichtlich von der Furcht vor den 30.000 Atomsprengköpfen und von den unterbezahlten russischen Experten in angeblich gleicher Zahl umgetrieben. Nakasone schlug eine Erweiterung und Qualifizierung des Atomwaffensperrvertrages zum Stichjahr 1995 vor. Wer allerdings wirksame internationale Inspektionen fordere, müsse bereit sein, selbst atomar abzurüsten. Wie wahr! Der ehemalige japanische Premier war die angenehme Vormittagsüberraschung. Sein Ausgangspunkt war klar: „Vom militärstrategischen Gleichgewicht zum Gleichgewicht des Reichtums“, seine Analysen problembezogen-realistisch. Er skizzierte die Notwendigkeit, nach dem Vorbild der KSZE ein multilaterales Sicherheitssystem in Asien aufzubauen. Bezogen auf die Entwicklung in China ging er von der Fortdauer des gegenwärtigen Regimes über die Jahrtausendwende hinaus aus. Es komme darauf an, die Küstenindustrialisierung Chinas und damit die pazifische Orientierung kräftig zu stützen. Auch über einen längeren Zeitraum, so Nakasone, könne sich das autoritäre Regierungssystem und eine zunehmend marktwirtschaftliche Orientierung koexistieren. „Ginge es nach mir“, so Nakasone mit ganz unasiatischer Deutlichkeit „kann Deng Xiao Ping 100 Jahre alt werden.“

Zum Schluß wurden die Weltpolitiker nach den vornehmsten Tugenden ihres Berufsstandes befragt. Callaghan beließ es bei Mut und Imagination, Nakasone hob die Kunst hervor, Geld, Weisheit und Leute zu kombinieren, unser Helmut Schmidt aber hob die Eigenschaft hervor, in der er nach eigener Meinung so hervorragend brilliert: die Urteilskraft. Christian Semler

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