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Einlochen in der Luxusenklave

■ Der Golftourismusboom beschleunigt Verarmung und Naturzerstörung in der Dritten Welt

Der Golftourismusboom beschleunigt Verarmung und Naturzerstörung in

der Dritten Welt VON ANITA PLEUMAROM

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er Golftourismus hat den weltweiten Durchbruch geschafft. Zunächst waren es hauptsächlich die golfbesessenen Japaner, die wegen der hoffnungslos überfüllten Plätze und der horrenden Preise für Club- Mitgliedschaften in ihrem eigenen Land auf billigere Plätze im Ausland auswichen. Der Golfplatzbau im asiatisch-pazifischen Raum — oft finanziert von japanischen Unternehmen — nahm sehr schnell spektakuläre Ausmaße an.

Mittlerweile hat die Golftourismuswelle dank der massiven Werbung von Reiseveranstaltern, Hotelketten und Fluggesellschaften auch Europa ergriffen. Neben Golfreisen nach Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Marokko und Tunesien werden mit zunehmendem Erfolg Fernreiseziele wie die Karibik, Florida oder Queensland in Australien angesteuert. Die Angebotspalette übertrifft sich selbst: Der neue Renner ist die Safari-Golf-Pauschalreise nach Südafrika, Kenia oder Simbabwe. Dubai, das Golfplätze mitten in die Wüste setzt, lockt mit einem Segel- und Golfpaket, einer weiteren weltweit aufstrebenden Sport- und Freizeitkombination. Ebenso ist Südostasien, zum Beispiel Thailand, Malaysia, Indonesien, Singapur und die Philippinen, in das weltweite Wettrennen um Golftouristen eingestiegen, denn diese gelten als besonders ausgabefreudige, zahlungskräftige Luxustouristen.

Obwohl thailändische Banken bereits seit 1990 die Kreditvergabe an Golfplatzprojekte wegen ihres unproduktiven und spekulativen Charakters eingeschränkt haben, werden unvermindert neue Projekte angekündigt. Infolge der Krise im Mittleren Osten, der weltweiten Wirtschaftsrezession, der japanischen Finanzskandale und anderer hemmender Faktoren sind allerdings eine Reihe der kostspieligen Unternehmungen in finanzielle Bedrängnis geraten. Um so mehr setzt man nun in Thailand auf ausländische Touristen: Wenn nur jährlich 100.000 der zehn Millionen japanischen Golfurlauber und weitere 100.000 europäische Spieler ihr Geld in Thailand ausgäben, dann würde das Geschäft wieder richtig in Schwung kommen, meinte kürzlich ein Vertreter der thailändischen Golf-Vereinigung. Deshalb versuche seine Organisation die Tourismusbehörde dazu zu bewegen, nach dem erfolgreichen „Visit Thailand Year 1987“ und dem diesjährigen „Visit ASEAN Year“ und „Women Visit Thailand Year“ in den nächsten zwei Jahren ein „Visit Thai Golf Courses Year“ zu veranstalten. Auf diese Weise könnte dann auch mit staatlichen Geldern verstärkt für den Golftourismus geworben werden.

Der innovative „Resort Lifestyle“

Der neue Trend besteht darin, Golf, Urlaub und Freizeitwohnen zu einem Konzept zu vereinigen. Die als Naturoasen angepriesenen „Golf & Country Clubs“ zielen durchweg auf Kunden ab, die sich einen elitären und luxuriösen Lebensstil leisten können, und umfassen gewöhnlich neben Golfplätzen und Clubhäusern extravagante Hotels, Apartmenthäuser, Einkaufszentren, Restaurants und andere Freizeiteinrichtungen. In Südostasien entstehen auf diese Weise ganze Satellitenstädte im Umkreis von urbanen Zentren, Fremdenverkehrsorten und Industriezonen. In Malaysia sind zur Zeit einhundert solcher Projekte in Betrieb oder im Bau, und ihre Zahl soll bis zum Jahr 2000 auf 180 gesteigert werden. 116 „Golf & Country Clubs“ werden dieses Jahr in Thailand fertiggestellt. Der Thailändischen Golf-Vereinigung zufolge braucht das Land jedoch mindestens 300 Golfanlagen, um den Bedarf der derzeit 400.000 Spieler — darunter 20 Prozent ausländische Angestellte und Touristen — zu decken. Das wohl spektakulärste Resort-Projekt— der im Bau befindliche „Kaeng Krachan Country Club“ etwa 150 Kilometer südwestlich von Bangkok— verschlingt nicht weniger als 5.600 Hektar Land. Neben drei Golfplätzen mit insgesamt 54 Löchern sind 700 Wohneinheiten, ein Fünf-Sterne-de-Luxe-Hotel, ein Freizeitpark im Disneyland-Stil, ein Tierpark, ein überdimensionaler Sportkomplex, eine Reitanlage, eine Autorennbahn und ein Flugplatz geplant.

Viele der Häuser und Apartments werden von ausländischen Firmen und Banken zu Erholungszwecken für ihre Angestellten aufgekauft. Auch bei den einheimischen gehobenen Schichten werden Zweitwohnsitze mit Golfsportangebot immer populärer. Für die wirtschaftliche und politische Elite ist die Mitgliedschaft in einem exklusiven Golfclub fast ein Muß, denn wichtige Geschäfte werden heutzutage auf dem Grün erledigt. Andererseits steigert es das Image von Golfclubs beträchtlich, wenn hochgestellte Politiker, Militärs, Polizeioffiziere und Wirtschaftsbosse als Clubvorsitzende oder weltberühmte Golfplatzarchitekten wie Jack Nicklaus vorzuweisen sind.

Hoher Flächenverbrauch auf Kosten armer Bauern

In Ländern der Dritten Welt, die den Golfplatzbau vorantreiben, werden nur allzu oft Bauern ihres Landes entledigt. Der Druck auf die ohnehin knappen Ackerbau- und Waldflächen wird somit verstärkt. In Thailand — einem Land mit nicht weniger als zehn Millionen Bauern ohne Landrechtstitel — sind bereits über 100.000 Hektar für Golfplatzanlagen verbraucht worden.

Um sich große Flächen für Golfplätze anzueignen, wenden Investoren häufig zwielichtige Methoden an. Beispielsweise werden Regierungsbeamte und Dorfvorsteher eingeschaltet, um Bauern zum Landverkauf zu überreden. Außerdem wird es ausländischen Geschäftsleuten recht einfach gemacht, die bestehenden Grundeigentumsgesetze zu umgehen und sich Ländereien für Golfplätze und Resorts anzueignen.

Im letzten Jahr kam es zum Skandal, als eine Baufirma zur Anlage des „Golden Valley Golf & Country Clubs“ unerlaubt in den Khao-Yai- Nationalpark eindrang und einen ganzen Berg sprengte. Dabei wurde auch bekannt, daß eine Reihe weiterer Golfplätze keine ordnungsgemäßen Grundbesitzurkunden vorweisen konnten und hohe Politiker und Militärs in umstrittene Projekte verwickelt waren. Aber abgesehen davon, daß hierdurch der Golfsport in der Öffentlichkeit stark in Verruf geraten ist, können Investoren und Spekulanten gewöhnlich ohne strafrechtliche Verfolgung ihre Geschäfte ungestört weiterbetreiben.

Kein Beitrag zum Umweltschutz

Eifrig um ein neues „grünes“ Image bemüht, betonen die Golfsport- und Tourismuspromoter nachdrücklich die Aufwertung von Landschaft und Natur durch Golfsportanlagen. Die Projekte der renommierten Golfplatzdesigner Jack Nicklaus und Robert Trent Jones lassen jedoch keinen Zweifel an dem ungeheuerlichen Umweltfrevel, der im Zusammenhang mit dem Golfplatzbau betrieben wird. Da werden nicht selten Millionen Tonnen von Erdreich bewegt, Berge gesprengt und abgetragen, Wälder gerodet, Feuchtgebiete trockengelegt, Küstenlandschaften planiert und Wüstengebiete mit gigantischen Bewässerungssystemen versehen, um mit spärlichen Baumreihen durchsetzte Grasmonokulturen zu schaffen. [was in albertville recht ist, soll hier unrecht sein?, d. s-in] In Hawaii, dem Golfparadies für amerikanische und japanische Golftouristen, werden durch Jones' Golfplätze nicht nur ganze Lavaformationen zerstört, sondern auch gleich historische Grabstätten, Tempel, Fischerdörfer und andere bedeutsame Kulturstätten vereinnahmt und als Touristenattraktionen verkauft.

Auch die Pflege der Golfplätze führt zu starken Umweltbelastungen. Beispielsweise werden in Thailand zur Bewässerung einer 150 Hektar großen Anlage täglich mindestens 3.000 Kubikmeter bzw. über eine Million Kubikmeter Wasser im Jahr benötigt. Dabei herrscht bereits seit Jahren ein solch bedrohlicher Wassermangel im Lande, daß in vielen Gemeinden während der regenarmen Zeit die Wasserhähne und Brunnen trocken bleiben und die Bauern dazu angehalten werden, auf eine zweite Reisernte im Jahr zu verzichten. Unterdessen fließt jedoch auf den Golfplätzen, in den Hotels und Apartmenthäusern das Wasser stets in reichlichen Mengen. Aufgrund der sich zuspitzenden Konflikte ums Wasser sperrte zwar die Regierung 1990 den Golfplatzbetreibern den Zugang zu öffentlichen Gewässern, aber seither wird das Wasser oft heimlich auf die Plätze abgeleitet.

Da auf den asiatischen Golfplätzen in der Regel nichtstandortgerechte Grassorten, etwa das aus den USA importiere Bermudagras, verwendet werden, sind besonders hohe Dünger- und Pestizidmengen erforderlich. Der intensive Chemikalieneinsatz kann sich verheerend auf die floristische und faunistische Artenvielfalt sowie die Gewässerqualität auswirken und stellt eine erhebliche Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. In Japan werden zunehmend Caddies, Greenkeepers, Golfspieler und Anwohner im Umfeld eines Golfplatzes von Hautausschlägen, Kopfschmerzen, Erbrechen und Augenreizungen befallen — Krankheiten, die auf den hohen Pestizidgehalt der Luft im Umkreis von Golfplätzen zurückgeführt werden.

Wachsender Widerstand

Die Proteste gegen Golfplätze nehmen weltweit zu — sei es in Europa, Hawaii oder Asien. In Japan schlossen sich lokale Bürger- und Umweltgruppen 1989 zu einem nationalen Netzwerk zusammen, um den Bau weiterer Plätze zu verhindern.

Auch in Thailand und Malaysia formiert sich eine starke Opposition. In Nordthailand kam es mehrmals zu Landbesetzungen und Demonstrationen, weil Golfplatz- und Resort- Bauer illegal bäuerlich genutzte Gemeinschaftsforste rodeten und Bewässerungskanäle blockierten. In Phuket wehrten sich Bewohner erfolgreich gegen ein Schweizer Mammutprojekt, das unter anderem zwei Golfplätze, sieben Hotels, Luxuswohnungen und einen Yachthafen errichten wollte. In Malaysia ist ein heftiger Kampf um den „Penang Hill“ entbrannt — ein beliebtes Natur- und Erholungsgebiet für die lokale Bevölkerung auf der Insel Penang, wo nun eine riesige touristische Luxusenklave mit Golfplatz entstehen soll. Die Proteste weiten sich auf andere Landesteile aus, denn im Rahmen der malaysischen Tourismusförderung sind nicht weniger als 28 solcher Megaprojekte geplant.

Die erfolgreiche Verhinderung von Golfplätzen in Japan, Amerika und Europa beschleunigt den massiven Ausbau von touristischer Golfplatz- Infrastruktur in den Fernreiseländern. Wie in anderen Wirtschaftszweigen sehen sich Golfplatz- und Tourismus-Investoren woanders um, wenn Protestaktionen und verschärfte gesetzliche Bestimmungen im eigenen Land zur erschwerten Durchführung oder Verteuerung ihrer Projekte führen. Gleichzeitig geben viele Regierungen der Dritten Welt in der Hoffnung auf zusätzliche Deviseneinkünfte dem Druck der Golftourismus-Lobby nach, ohne den katastrophalen sozialen und ökologischen Konsequenzen sowie dem wachsenden Widerstand der betroffenen Bevölkerung Rechnung zu tragen. Die japanische Anti-Golf- Bewegung bekämpft deshalb nun auch vehement den Export japanischer Golfplätze und Resorts ins Ausland. Wie ernst das Thema Golftourismus genommen wird, zeigt sich auch daran, daß nun ein breites Bündnis asiatischer Basisgruppen einen gemeinsamen Aktionsplan zur Vorlage bei der UNCED in Brasilien erarbeitet.

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