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Lächelnde Zehen, winkende Waden

Synchronschwimmen: Ein Sport — olympisch immerhin, wenn auch kein echter Publikumsmagnet— zwischen gekünstelter Kreativität und ballettähnlichem Naßturnen  ■ Aus Bonn Bernd Müllender

Keck-kokett lugt eine kühn gekrümmte Fußspitze aus dem Wasser. Grazil gereckte und gestreckte Wadenbeine tauchen im Takt zur Musik hervor, fröhlich grüßend tanzen die Kniegelenke, ausgelassen winken die Fesseln, die Kniescheiben, die Knöchelpartien. Und schließlich schnellt ein komplettes Paar Beine kreisend und sich kreuzend aus den Fluten heraus. Kopfüber vollführen die Synchronschwimmerinnen ihre Meisterschaften. Applaus, Applaus, Applaus am Wochenende bei den German Open der Kunstschwimmerinnen im Bonner Frankenbad.

Doch, doch: ein richtiger Sport, sogar olympisch. Es gibt eine richtige Pflicht und eine richtige Kür, richtige Goldmedaillen und Funktionäre, strenge PunktrichterInnen, die ausgepfiffen werden, wenn sie zu niedrige Noten ziehen. Die gehen sogar bis 10 — das hat noch kein Eiskunstläufer je geschafft. Und es ist eine konsequent synchrone Disziplin: Die besten im Duett sind jeweils zwei eineiige Zwillings-Sisters aus Amerika, und in Deutschland hören sowohl der Bonner Organisator als auch der DSV-Synchronwart auf den gleichen Namen: Udo Lehmann. Alles total synchron: Schon gibt es Auswirkungen auf andere Sportarten — erinnert sei nur an die neue Variante des Brandenburger Synchron-Dopings.

Dennoch: Bekanntlich ist der Mensch ein Landtier, das zudem aufrecht geht. Die Synchronschwimmerinnen wollen der Evolution mit „dieser begeisternden, ästhetischen Sportart“ (Lehmann I) ein Schnippchen schlagen: ab ins wesensfremde Element und da möglichst oft und lange, bis zu einer Minute, untertauchen — „Die haben ein Lungenvolumen wie Ruderer“, freut sich stolz Lehmann II, „und könnten auch noch länger unten bleiben, aber das bringt nichts, wegen der Choreographie.“ Naßturnübungen verkehrt herum, Ballett kopfüber und Gymnastik gewässerter Art. Atemberaubend, aber was würde wohl Flipper dazu sagen, was die Wale singen, was die Flunder meinen zu den mühsamen Kopieversuchen?

Wir wissen es nicht. Aber wir fragen Monika Müller, 21jährige Sportstudentin, die beste Deutsche, die im Einzel Dritte wurde in Bonn. Schon als Kind, sagt sie, habe sie „die Liebe zum Wasser und zum Tanz“ verspürt. Mit neun entdeckte sie dann, daß sich beides kombinieren ließ. Schnellschwimmen fand sie wie „fast alle anderen Synchronschwimmerinnen auch“ sehr schnell „eintönig und langweilig“. Was man nachvollziehen kann. Aber die Kombination? „Synchronschwimmen“, sagt Monika Müller, „bietet und verlangt alles: Ausdauer, Kraft, Kreativität und Ästhetik. Im Wasser haben wir allen Spielraum. Unser Sport hat eine gewaltige Faszination.“

Der Aufwand ist beachtlich. Trainiert wird täglich, manchmal morgens und abends. Im Verbandsorgan ist zu lesen: „Wenn Michael Groß aufhört zu trainieren, machen die Synchronschwimmerinnen sich fertig zur zweiten Schicht.“ Zu verdienen gibt es nichts. Monika Müller will — „Medaillenchancen habe ich keine“ — bei Olympia Siebte werden, „das wäre riesig“.

Beim Blick durchs Unterwasserfenster wirkt die Disziplin schon weniger grazil — da wird wuchtig gerudert mit den Armen, gestrampelt wie ein Säugling in Pampers, und die Beine schaufeln wie Mühlräder. Hier unten, wo Schwerkraft und Auftrieb erbarmungslos bekämpft werden müssen, findet die knallharte Maloche statt, oben lächelnd die Show der gespreizten Finger, der schönsten Paillettenhäubchen, der glitzerndsten Nasenklammern und der phantasiereichsten doppelbeinernen Gesamtkunstwerke.

Sylvie Frechette aus Kanada, die Weltmeisterin, synchronschwimmt im Einzel unangefochten. Sie hat eine 40-Stunden-Trainingswoche und schafft es, sich bis zur Taille herauszuschieben und winkelt, kreuzt ihre Beine gefährlich nah am Verknoten. Ihre Zehverdrehungen kommen dem anatomischen Limit am nächsten, und so hagelte es in Bonn mehrfach die Bestnote 10. Genau 111 zahlende ZuschauerInnen, was, so ein Offizieller, als „unheimlich gut besucht“ galt, goutierten die Darbietung euphorisch.

Noch spritziger wurde es bei der Entscheidung in der Gruppe. Beim Achter (bei der Achterin?) kreiseln immerhin sechzehn Beine umher, da läßt sich choreographisch einiges machen — heftige Hebefiguren, taktvolles Fersenspiel, Rock 'n' Roll- Flutentänze querbecken und das ägyptische Oktett (ja, Kunstschwimmen gibt's auch a/im Nil) bringt zur Musike eine Art Pyramide zustande. Sehr hübsch. Und manchmal, nach Sekunden abgetauchter Ruhe, kommt so eine Gruppe in einer unerwarteten Ecke hervorgeschossen, und dann schäumt es auf und gischtet und wellt, als seien die Künstlerinnen in einen Schwarm Haie geraten.

Es war, wie immer, eine reine Frauenveranstaltung. Aber, so war zu hören, in Frankreich gebe es schon die ersten kunstschwimmenden Männer und auch schon Mixed- Formationen. Wenn die Synchro- Boys meisterschaftsfähig sind, wird die taz in bekannt kritischer Sachlichkeit vor Ort sein und berichten. Versprochen ist versprochen.

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