: ...Sex liegt überall in der Luft...-betr.: "Metallharte Doppelmoral", Tagesthema Seite 3, taz vom 5.3.92
betr.: „Metallharte Doppelmoral“, Tagesthema Seite 3,
taz vom 5.3.92
Mit Verwunderung las ich die Unterschrift unter dem Bild zu dem Artikel: „Auch das Aufhängen pornographischer Bilder am Arbeitsplatz ist sexuelle Belästigung.“ Die so vorgestellten Bilder an einem Schrank waren Pin-up-Modelle von einem 1990er Kalender.
Sicher kann man (oder Frau) sich über das fotografische oder das künstlerische Niveau dieser Bilder streiten. Auch gefallen sicher nicht jeder/jedem die dargestellten Motive — mir zum Beispiel nicht, weil ich schwul bin. Mit Pornographie haben sie aber auf jeden Fall nichts zu tun. Die Schreiberin dieser Zeile sollte sich einmal sachkundig machen, um was es sich bei Pornographie handelt, und nicht auf diese Weise die Grenze zwischen Akt-Darstellung und Pornographie künstlich in die Höhe treiben. Hier kurz zur Erläuterung: Pornographie ist die Darstellung von sexuellen Handlungen in Schrift und Bild. Akt-Darstellungen dagegen sind gezeichnete oder fotografisch erzeugte Bilder von mehr oder weniger bekleideten Körpern.
Ist die langfristige Absicht solchen Schreibens, daß Frauen bald nur noch im hochgeschlossenen Dirndl oder gar im Schador abgebildet werden? Herbert Rusche, Offenbach
Unbeschadet der im konkreten Fall zu prüfenden strafrechtlichen Frage, hätte die Forderung nach arbeitsrechtlicher Sanktionierung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz die Konsequenz, das eh schon fade Arbeitsleben vollständig zu enterotisieren. Erhalten damit nicht die wohl eher germanischen als Macho-Traditionen verhafteten Softi-Sexisten endgültig das Oberwasser? Ich meine die Typen, in deren Wahrnehmung Frauen schlichtweg überhaupt nicht existieren, weder als sachkompetente Kolleginnen noch als erotische Wesen (ein ordentlicher Macho nimmt sie wenigstens als solche — wenngleich nur als solche — wahr) ; die Typen, die produktive Beiträge von Frauen einfach ignorieren, zensieren beziehungsweise zu eigenen umstilisieren; die Typen, die die Arbeitsleistung von Frauen wegfiltern beziehungsweise verächtlich machen („das ist doch alles Kleinkram!“); etc.
Durch zunehmende Enterotisierung des Arbeitslebens — so scheint es mir — berauben wir Frauen uns aber nicht nur der wohl einzigen Chance, gegen Softi-Sexismus germanischer Prägung vorzugehen, sondern wir werden wohl auch die durchaus real existierenden Männer verprellen, die eine kollegiale Zusammenarbeit mit Frauen suchen und praktizieren. Denn wo eine gute Kooperation zwischen Männern und Frauen funktioniert, wird es auch schon mal knistern und funken. Na und? Doch die Grenzen dahin, daß sich dann jemand belästigt fühlt, sind fließend und vor allem letztlich im Bereich der subjektiven Wahrnehmung anzusiedeln: Was einer Person Spaß macht, kann einer anderen Person ein Greuel sein. Arbeitsrechtliche Konsequenzen von subjektiv als solche wahrgenommenen sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz führen meines Erachtens zu einer so massiven Rechtsunsicherheit, daß jede kollegiale Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen im Keim erstickt wird. Mit arbeitsrechtlichen Totschlägern ist keine Sensibilisierung für Grenzverletzungen erreichbar. Aber genau die wäre vonnöten, um dem Problem „sexuelle Belästigung“ beizukommen.
Ach ja, und was mich selbst betrifft, so fühle ich mich bisweilen auch von Frauen (sexuell) belästigt. Sollen in Zukunft auch Frauen für erotisch- und/oder sexuell (gefärbt)e Hintergedanken oder gar Taten bestraft werden? Oder werden sie qua Geschlecht für zu dumm dazu gehalten? [...] Gerlind Heinze, Wuppertal
Gegen die Fakten des Artikels von Ute Scheub und auch gegen das Sibylle-Plogstedt-Interview ist nichts einzuwenden. Was ich jedoch vermisse und worauf nicht eingegangen wird, ist die allgemeine Behandlung von Sexualität am Arbeitsplatz. Es greift viel zu kurz, hier lediglich die Staatsanwaltschaft anzufordern und den Macho im Manne anzugreifen.
Natürlich verhalten sich viele Männer, und das nicht nur am Arbeitsplatz, gegenüber Frauen total bescheuert, plump, anmaßend und sexuell belästigend. Meine Frage ist: Wie können diese Verhaltensweisen am Arbeitsplatz thematisiert werden? Gelingt es, daß Männer und Frauen dieses Thema auf eine gute Art und Weise behandeln? Eine Art, die nicht vorverurteilt und die Männer nicht von vorneherein abstempelt als notorische Busengrapscher und verhinderte Sittenstrolche. Der Frühling kommt, Sex liegt überall in der Luft, auch am Arbeitsplatz, und wohl nicht nur ausgeprägt als männliche Gier. [...] Hans-Walter Krause, W-Berlin
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