: FDP: Keiner will Haider gewollt haben
FDP-Ortsgruppe lud den radikal rechten Österreicher zum Wahlkampf nach Stuttgart ein/ Vorsitzender der Bundestagsfraktion war eingeweiht/ Jetzt läuft Distanzierungswelle durch die FDP ■ Von Dorothea Hahn
Berlin (taz) — Liberale müssen offen sein, meint die FDP-Ortsgruppe Bad Cannstatt — und lud den radikal rechten Chef der österreichischen Freiheitlichen Partei (FPÖ), Jörg Haider, zu einer Veranstaltung nach Stuttgart ein. Am 17. März — zweieinhalb Wochen vor den badenwürttembergischen Landtagswahlen — soll der erfolgreiche Politiker mit den unverholenen Nazi-Sympathien dort zum Thema „liberale Perspektiven für Europa“ referieren. Eine Woche vor dem Termin in dem Kursaal mit mehreren hundert Plätzen hat die Einladung die höchsten Gremien der FDP aufgeschreckt. Landes- und Bundesvorstand empfahlen den Cannstattern, die Veranstaltung abzusagen. Seit Montag möchte auch eine „überwältigende Mehrheit“ im Kreisvorstand den Gast ausladen. Auch an der Basis geht „ein Sturm durch die Partei“, berichtet Landespressesprecher Hasso Kraus. Die Anrufer schimpfen auf Haider und drohen mit Parteiaustritten. Ganz anders sieht die Sache ein paar Kilometer weiter im Stadtteil Bad Cannstatt aus. Dort erhielt der Ortsgruppenvorsitzende gestern morgen sechs Anrufe von FDP-Kreisverbänden, die ihm zurieten: „Roth, bleib bei der Veranstaltung.“ Dieser Empfehlung wollten die störrischen Cannstatter zumindest bis gestern nachmittag auch folgen. Hans Manfred Roth fühlt sich dabei von höchsten Parteiinstanzen gedeckt. Schließlich habe der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Solms persönlich ihm vor zwei Wochen gesagt, „es bestehen keine Bedenken gegen sowas“. Vorsichtshalber hatte sich der Cannstatter da beim Bundesvorstand vergewissern wollen, ob der Gast genehm sei. Damals war die Veranstaltung in Stuttgart noch als „Liberales Streitgespräch“ geplant, ein zweiter Diskutant sollte auf dem Podium sitzen. Zu Roths Überraschung sprach sich der Bundestagsabgeordnete jedoch dagegen aus: Das sähe so aus, als ob Liberale miteinander Krach hätten.
Solms bestreitet inzwischen, daß er grünes Licht für die Veranstaltung gegeben hat. Er habe lediglich gesagt, die Veranstaltung sei Roths Entscheidung. Gleichzeitig habe er gewarnt, der Wahlkampf könne dadurch in eine „völlig falsche inhaltliche Richtung“ geraten, erklärte der Fraktionsvorsitzende gestern der taz. Seit dem Gespräch hätten sich zudem die Verhältnisse geändert, betonte er. Seither habe Haider die liberalen Kräfte aus der FPÖ verdrängt und sich außerdem sich auf dem Aschermittwochstreffen seiner Partei als Nachfolger von Franz Josef Strauß bezeichnet. Damit sei ein „ein Punkt erreicht, das ist zuviel“.
Trotz aller Kritik will Solms den Österreicher, der im vergangenen Sommer ein öffentliches Lob auf die NS-Beschäftigungspolitik aussprach, seit Jahren bei SS-Kameradschaftstreffen auftritt, jedoch nicht als „Rechtsradikalen“ bezeichnen. Diese Vorsicht gegenüber der bei Wahlen erfolgreichen Partnerpartei FPÖ teilt die FDP-Spitze. Dort sei man zwar „verärgert“ über Äußerungen von Haider, sagte FDP-Pressesprecher Goebel zur taz, aber es gebe „momentan keine Bestrebungen auf Ausschluß“ der Partei aus der „Liberalen Internationale“. Eine eindeutige Standortbestimmung der FPÖ hat die rechtsradikale „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ geliefert. Sie bot Haider eine Ersatzeinladung nach Baden Württemberg an, denn: „Der liegt programmatisch auf unserer Linie.“
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