: Innensenator wußte nichts von VS-Datei
■ Van Nispen findet VS-Speicherung von Pinochet-Protest „Blödsinn“
„Wir werden das abschaffen“, wenn es denn so ist. Mit dieser Klarstellung reagierte Bremens Innensenator Friedrich van Nispen (FDP) gestern auf die Tatsache, daß der Bremer Verfassungsschutz seit 1973 unverdrossen Daten über „Extremisten“ im Öffentlichen Dienst sammelt und an das Bundesamt nach Köln weitergibt (vgl. taz vom 12.3.). Der Datenschutzbeauftragte Sven Holst war dem Amt auf die Schliche gekommen und hatte in einem vertraulichen Bericht festgestellt, daß diese Praxis gegen bremisches Recht verstößt und den Datenschutz verletzt: „Das geschilderte Verfahren findet keine Legitimation in den Neuregelungen der Verfassungsschutzgesetze. Es verstößt gegen Bestimmungen des Bremischen Datenschutzgesetzes“, hatte Holst Mitte Februar formuliert. „Offenbar hat der Verfassungsschutz seine unselige Schnüffelpraxis aus Berufsverbotszeiten nahtlos fortgeführt“, meinte der Grüne Martin Thomas gestern zu dem Fall.
Innensenator van Nispen meinte, er wisse sehr wohl, „wie Apparate sich manchmal verselbständigen“, könne aber zu Einzelheiten des Falles noch nichts sagen. Zwar hatte der Bremer Datenschutzbeauftragte am 19. Februar die Innenbehörde informiert, der Senator selbst hatte aber offenbar den Brief nicht zur Kenntnis genommen. Staatsrat Kauther hatte nur im Rahmen eines „Prüfauftrages“ die Stellungnahme des Verfassungsschutzes zu den Vorwürfen angefordert — drei Wochen lang ohne Antwort. Nachdem im Datenschutzausschuß der Bürgerschaft über den Fall berichtet worden war, sei er, so van Nispen, am Mittwoch Nachmittag von der bevorstehenden Veröffentlichung der taz informiert worden. Erst durch diesen Anruf eines Abgeordneten sei ihm die politische Dimension deutlich geworden.
In einer dringlich angemahnten ersten Stellungnahme hatte der Bremer Verfassungsschutz gestern früh dann keine der vorgeworfenen Tatbestände dementiert, sondern nur allgemein auf Bundesregelungen verwiesen. Van Nispen erklärte, diese Stellungnahme sei ungenügend. Proteste gegen die Pinochet-Diktatur, gegen die Neutronenbombe und für ein Russell-Tribunal beim Verfassungschutz in „P-Akten“ zu speichern, sei „Blödsinn“, meinte van Nispen: „Wir werden das abschaffen“. Er sei immer ein Gegner des Extremistenerlasses gewesen, versicherte der Innensenator.
Van Nispen war sichtlich verärgert über die „Altlast“, die er von seinen sozialdemokratischen Vorgängern im Amt überlassen bekommen hatte: „So erlebt man jeden Tag als Innensenator eine neue Überraschung“, meinte er sarkastisch. Wenn die Sache sich bestätigen würde, „dann werden die Herrschaften (vom VS, d. Red.) sich verantworten müssen.“
Am Donnerstag mittag nach der Pressekonferenz zitierte van Nispen den stellvertretenden Leiter des Verfassungsschutzes, Jachmann, zum Bericht zu sich. Nach Angaben Jachmanns sei die Zahl der Meldungen an das Kölner Bundesamt von 150 im Jahre 1985 auf nur 5 für das Jahr 1991 zurückgegangen, berichtete van Nispen nach diesem Gespräch. Was er nicht sagte: Die Meldungen des Bremer Verfassungsschutzes nach Köln für 1991 erfolgte erst, nachdem der Datenschützer auf den Vorgang gestoßen war und das rechtswidrige Verfahren moniert hatte.
Van Nispen unterstrich die Forderung des grünen Abgeordneten Martin Thomas, daß dem Verfassungsschutz auf der nächsten Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) am 20. März detailliert Rechenschaft über die „Extremisten“-Datei abverlangt werden müsse. Seine Ankündigung, das Bremer Verfassungsschutz-Amt müsse personell abspecken, habe allerdings mit dem aktuellen Fall nichts zu tun, betonte van Nispen. K.W.
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