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Krebsgefahr droht auf City-Spielplätzen

■ Alarm für Buddelkinder: Hochgiftige Kohlenwasserstoffe auf 30 Spielplätzen entdeckt/ Tiergarten fordert Sperrung, Senat zögert mit Maßnahmen

Berlin. Über zwei Dutzend Spielplätze in der Innenstadt sind mit polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) erheblich belastet. Die Unbedenklichkeitsgrenze von einem Milligramm pro Kilogramm Boden wird von dem krebserzeugenden und erbgutschädigenden Umweltgift dabei um ein Vielfaches überschritten. Bei sieben untersuchten Spielplätzen in Tiergarten beträgt der Wert das zwei- bis 260fache des Richtwertes. In der offiziellen »Berliner Liste« wird der aufgeführte Wert von einem Milligramm PAK ausdrücklich als »Eingreif- bzw. Sanierungswert« bezeichnet. Doch weder Umwelt- noch Gesundheitsverwaltung wollen sofort handeln — bisher wurden nur die beiden Spielplätze in Tiergarten geschlossen, bei denen schon im vergangenen Jahr eine hohe Konzentration dieses Giftes entdeckt worden war.

Sabine Nitz-Spatz (Bündnis 90/ Grüne), Tiergartener Gesundheitsstadträtin, fordert von der Umweltverwaltung, alle belasteten Spielplätze sofort zu schließen. PAKs könnten wesentlich größere Gesundheitsprobleme als Dioxine oder Schwermetalle verursachen. Nach einer Risikostudie des Düsseldorfer Umwelthygieneinstituts würden von 100.000 Kindern, die täglich ein Milligramm PAK zu sich nehmen, später 10 an Krebs erkranken. Kleinkinder verzehrten täglich zwischen einem halben und zwei Gramm Boden, berichtet Nitz-Spatz.

Im Bezirk Mitte sind von zehn untersuchten Spielplätzen bei sieben die PAK-Werte erhöht. Eine Sanierung hätte erhebliche finanzielle Konsequenzen, meint Umweltstadtrat Vollrad Kuhn (Bündnis 90/Grüne). Kuhn sieht »auf Berlin eine Lawine zurollen, die uns lange beschäftigen wird«. Auch Nitz-Spatz vermutet, daß ein Großteil der Innenstadt-Spielplätze mit den Kohlenwasserstoffen belastet sei. Hermann Fromme von der Gesundheitsverwaltung bestätigt, daß von bisher fünfzig untersuchten Spielplätzen zwei Drittel belastet seien.

Nach den bisherigen Untersuchungen finden sich die höchsten Konzentrationen an Kohlenwasserstoffen in einer Tiefe von 30 bis 100 Zentimetern. Wie die PAKs in den Untergrund geraten sind, ist nicht geklärt. Sie entstehen bei Verbrennungsprozessen, erläutert Andreas Ruck vom Umweltbundesamt. Besonders häufig kommen sie im Ruß, ob nun aus Schornsteinen oder Auspuffrohren, vor.

Patricia Werner, Sprecherin der Umweltverwaltung, dementierte, daß bei der Überschreitung des Richtwertes von einem Milligramm der Boden »automatisch« gewechselt werden müsse. Auf jeden Fall aber müsse man sich mit dem Problem beschäftigen. Heute gebe es deshalb auch ein Treffen zwischen Umwelt- und Gesundheitsverwaltung.

Für Sanierungen stehe der Umweltverwaltung allerdings kein wesentlicher Etat zur Verfügung, führte Werner aus. Priorität liege deshalb vor allem beim Schutz des Trinkwassers, das von den Spielplatz-PAKs aber nicht gefährdet werde. Wenn die Bezirke Spielplätze schließen wollten, könnte dies der Amtsarzt anordnen. Nitz-Spatz und Kuhn halten diese Aussage für falsch. Sie fordern vom Umweltsenator eine eindeutige Regelung. Dirk Wildt

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