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MIT DER ÖKO-BRANCHE AUF DU UND DUEdles Lumpengepunzel

„Biofach“-Messe: Naturkost ohne ideellen Überbau  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Mannheim (taz) — Der 89er Rotwein vom Chateau le Duc de Perran in Landiras/Frankreich steht satt im langstieligen Kristallglas. Die knusprige Ente kommt von Bodin et Fils in La Maisonette, ebenfalls Frankreich. Und über dem intimen „Diner pour deux“ breitet sich der Duft einer ätherischen Essenz aus— bewußt ausgewählt nach dem Kapitel „Ätherische Öle und Sinnlichkeit“ aus dem Standardwerk zum Thema von Michael Kraus.

All die feinen Sachen soll demnächst der Bioladen um die Ecke im Angebot haben — falls sein Betreiber nicht zu den militanten Latzhosenträgern und Gesundbetern gehört. Auf der Messe für Naturkost und Naturwaren, der „Biofach“ in Mannheim, zeichnete sich jedenfalls am Wochenende als neuer Trend ab: gesund leben — ideologiefrei und mit Genuß.

Die Trendsetter kommen aus Frankreich und aus dem Badischen: Schöne Frauen im kleinen Schwarzen und modebewußte Männer mit Designerkrawatten schenkten drei Tage lang giftfreie Weine aus dem Medoc und der Tourraine aus, brutzelten Teile von glücklichen Hühnern auf kleiner Flamme und bestrichen Brote mit Pasten aus Kräutern der Provence.

Und schon rümpfen die Apostel der Naturkostszene in Deutschland die Nase: Da fehle das „ideelle Motiv“, monierte etwa das Fachblatt 'umwelt direkt‘ in einer Sondernummer zur „Biofach“. Das Motiv der Franzosen, biologische und natürliche Kost zu kaufen, liege eher „im Bereich Gourmet und Luxus“. Das Angebot werde deshalb vornehmlich von den „gut bis sehr gut Verdienenden“ wahrgenommen.

Daß auch in Deutschland die hohen Bioladen-Preise die meisten BürgerInnen weiter in die Supermärkte treiben, hat das Institut für Demoskopie in Allensbach im Auftrag der Zeitschrift 'Natur‘ der Branche längst nachgewiesen. Doch in den meisten Naturkostläden der Republik werde dem Allgäuer Hartkäse und dem Vollkornbrot noch eine unbezahlbare „Ware“ draufgepackt, lobt 'umwelt direkt‘: der „ideelle Überbau“. Doch auf den können offenbar immer mehr KundInnen verzichten.

Bis zum Sonntag boten 340 Einzelerzeuger und Produktionsgemeinschaften, darunter 70 aus dem Ausland, ihre Biowaren dem Fachpublikum an. Etwas verloren saßen US-amerikanische Farmer aus Kansas an ihrem Gemeinschaftsstand. Ihr Produkt ähnelte einer Mischung aus Cornflakes und Puffreis. Doch für das Rahmenprogramm zur „Biofach“ war nicht die Rocky-Horror-Picture-Show eingebaut, sondern laut Messekatalog das Mobile Clownstheater mit dem Stück „Lumpengepunzel“, auf „ökologischem Fundament“.

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