Gefährliche Kirschen

■ Tschechows „Kirschgarten“ in Bremerhaven

Vorsicht mit den Mustern, wenn sie zu den unwiederholbaren gehören! Anton Tschechows „Der Kirschgarten“ hat mit Peter Steins Inszenierung vor wenigen Jahren ein Muster gefunden, an dem sich jede neue Inszenierung messen lassen muß, und kein Regisseur kommt an Steins traumhaft zartem Gewebe aus Stimmen und Gesten vorbei.

Der Gastregisseur Peter Dieter Schnitzler unterläßt in Bremerhavens Stadttheater klugerweise jede Anspielung auf die Berliner Inszenierung. Der Bühnenbildner Michael Engel baut das verblichene russische Landhaus mit großen Fenstern und Flügeltüren aus einfachsten, leicht verstellbaren Holzelementen. Das Weiß der Kirschblüte deutet er im Hintergrund auf hochgehängten Stoffbahnen zwischen frühlingshaften Blautönen an.

Die Regiearbeit aber läßt sich leiten von den gedehnten und zelebrierten Bewegungen, mit der der Abschied einer gesellschaftlichen Klasse von ihren traditionellen Lebensformen vorgeführt wird.

Das gesamte Schauspiel-Ensemble ist in Bremerhaven eingespannt, und solche Konzentration war auf der Bühne des Großen Hauses in Bremerhaven seit längerem nicht mehr zu sehen. Dennoch bleibt ein Unbehagen: Die bis in Details gutgearbeitete Inszenierung verliert nach den ersten beiden Akten an Kraft. Alle hatten brav gelernt, die Bewegungen stimmten, auch der Tonfall, aber vielleicht fehlte die Inspiration, der lange Atem, den Peter Steins Ensemble über vier Stunden aufbringen kann.

Das Ergebnis ist eine wohltemperierte Inszenierung ohne Höhen und Tiefen, in der es die komischen Figuren leichter haben als die melancholischen.

Hans Happel

Weitere Aufführungen:

19.3., 25.3., 31.3., jeweils 2o Uhr