: Task-forces und Innovationsbündnisse
■ Eine Änderung der Administration durch problembezogene Innovationen schlägt Michaele Schreyer (AL) vor
Berlin. 25.000 Stellen werden in den nächsten fünf Jahren im öffentlichen Dienst gestrichen. Die Zahl der Senatsressorts wird um ein Drittel, die der Bezirke um knapp die Hälfte reduziert. Verwaltungsstrukturen sollen gestrafft, öffentliche Leistungen privatisiert werden. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen wird zur Zeit im Senat diskutiert, mit dem Berlin seine zukünftige Rolle als Hauptstadt mit dem riesigen Defizit im Landeshaushalt in Einklang bringen will. Führende Berliner Politiker legen in der taz ihre Vorstellungen von der zukünftigen Stadtstruktur dar. Heute: Michaele Schreyer, Abgeordnete Bündnis 90/Grüne (taz vom 11.3.: Volker Liepelt/CDU).
Ein »System« definiert der Soziologe Niklas Luhmann daran, daß es sich in einer äußerst komplexen und veränderlichen Umwelt identisch hält. Das trifft auf den Verwaltungsbereich eindeutig zu. Er ist ein eigenes System, obwohl die Aufgaben, die der Verwaltung von der Politik zum Vollzug zugesprochen werden, längst nicht mehr nur einen abgrenzbaren politischen Sektor der Lebenswelt betreffen, sondern vielfältig in das Umfeld der individuellen Lebensgestaltung einwirken. Die Aufgaben der Verwaltung sind komplexer geworden. Auf diese Komplexitätszunahme hat das Verwaltungssystem aber nur mit einer Gewichtszunahme reagiert, es ist dicker geworden, ohne die Problemverarbeitungskapazität qualitativ zu erhöhen.
In Berlin steht für eine Verwaltungsreform nun zweierlei an: Erstens ist aus finanziellen Gründen ein Abspecken der Verwaltung notwendig. Zweitens muß gleichzeitig die Problemverarbeitungskapazität wesentlich erhöht werden, damit die komplexen Aufgaben — Angleichung der Lebensverhältnisse, Hauptstadtfunktion, Wiederaufbau der Wirtschaft im Osten, und dies alles in einer geschundenen Umwelt, die der Grundsanierung bedarf — überhaupt erfüllt werden können.
Für die Abspeckkur stehen im wesentlichen zwei Maßnahmen auf dem Rezept:
—Verringerung der Zahl der Verwaltungseinheiten auf Bezirks- wie auf Hauptverwaltungsebene;
—Vermeidung von Doppel- und Dreifachbearbeitung durch klare Konzeptabgrenzung zwischen Bezirks- und Hauptverwaltung und zwischen den einzelnen Ämtern und Ressorts. Dabei ist nicht eine Zentralisierung, wie sie der Regierende Bürgermeister propagiert, sondern die Aufhebung des »Vorbehalts« der Hauptverwaltung für viele Aufgaben der Bezirke sowie die Zuweisung von Pauschalhaushalten an die Bezirke angesagt, damit diese auf Veränderungen von Schwerpunkten bezirksspezifisch und zeitnah und statt mit der Forderung nach mehr Stellen und Mitteln durch eigenverantwortliche Umschichtung reagieren können.
Welche Maßnahmen sind nun erforderlich für eine qualitative Reform, die die Verwaltung in die Lage versetzt, komplexe Aufgaben besser und schneller zu erfüllen; Innensenator Heckelmann schlägt hierfür die Gründung verschiedener GmbHs, der Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Volker Liepelt, die Gründung einer »Hauptstadt-Agentur« vor. Beiden Vorschlägen ist gemein:
—Es sollen neue Organisationen neben der Verwaltung gegründet werden. Vor der eigentlichen Aufgabe, nämlich einer Verwaltungsreform, resignieren die Herren, bevor sie begonnen wird.
—Diese neuen Organisationen sollen im wesentlichen die Aufgabe haben, die Durchsetzungskraft von wirtschaftlichen Interessen gegenüber anderen Belangen zu erhöhen. Liepelt schlägt deshalb sogar vor, daß diese — von der Wirtschaft mitfinanzierte — Agentur selber hoheitliche Aufgaben erfüllt. Abgesehen davon, daß dies eine Änderung der Verfassung voraussetzen würde, nennt man es normalerweise Korruption, wenn eine Gruppe dergestalt versucht, ihre spezifischen Interessen bei hoheitlichen Entscheidungen durchzusetzen. Zudem wäre es nicht einsichtig, weshalb zum Beispiel Umweltverbände dann nicht auch ihre eigene Agentur erhalten, um Unterschutzstellungsverfahren für Natur und Landschaft ohne Berücksichtigung eigener Belange selber durchzuführen.
Der Vorschlag von Liepelt geht an der Verfassung wie am Problem vorbei. Notwendig ist eine Änderung in der Administration durch die Einführung problembezogener Innovationen, und zwar — wie es der Verwaltungswissenschaftler Böhret formuliert — als durchgängige Denk- und Handlungsweise. Drei Instrumente halte ich hierfür besonders geeignet: Task-forces, Innovationsbündnisse und Wettbewerbsverfahren.
—Task-forces, gebildet aus Verwaltungsmitarbeitern, die sämtliche zu berücksichtigenden Belange und Behörden vertreten, sind problembezogene, flexible Arbeits- und Organisationsformen, die der notwendigen Quervernetzung für die Bewältigung komplexer Aufgaben adäquat sind. Eine Task-force hat ein Problem bis zu den Lösungsschritten zu bearbeiten, die in das routinisierte Verfahren der Verwaltung, also »in die Linie« zurückgegeben werden können. Wesentlich ist, daß die Mitglieder der Task-force — unabhängig von ihrer Stellung in der Verwaltungshierarchie — entscheidungsbefugt sind und damit alle Folgen der Entscheidung internalisiert und nicht verlagert werden. Wegen dieser notwendigen Entscheidungsbefugnis ist allerdings auch klar, wer den Hauptwiderstand gegen diese Innovation leistet: nämlich die Gralshüter von Berufsbeamtentum, Hierarchien, Geschäftsordnungen, die mehr an Verfahrensabläufen denn an Problemlösungen interessiert sind, sich so in den Verwaltungen oft in die Spitze gebracht haben und sich vor allem in der Innenverwaltung tummeln.
—Die Task-forces, aber nicht nur sie, müssen die Möglichkeit haben, externes Wissen einzubeziehen, um so Innovationsbündnisse zwischen Verwaltung und externem Wissen zu gründen.
—Ein institutionalisiertes Verfahren zur Auffindung der besten Problemlösung existiert bisher fast nur im Bau- und Stadtentwicklungsbereich. Hier wird eine Aufgabe als Wettbewerb ausgeschrieben, Lösungsvorschläge werden extern erarbeitet, und ein Preisgericht — bestehend aus Verwaltung und Externen — entscheidet darüber, welche Lösung realisiert werden soll. In anderen Bereichen des öffentlichen Sektors, der Verkehrspolitik, der Jugendpolitik, der Umweltpolitik werden zwar Gutachten in Auftrag gegeben, die aber nur eine, meist von der Verwaltung vorgegebene Lösungsmöglichkeit des Problems bearbeiten und allzu oft lediglich in tiefen Schubladen verschwinden, weil ein institutionalisiertes Verfahren zur Kontrolle der Umsetzung nicht existiert. Geregelte Wettbewerbsverfahren sind also auch in anderen Bereichen dringend notwendig.
Die anstehende Aufgabe heißt also nicht, neue Institutionen zu gründen, sondern die Resistenz der Bürokratie gegen Innovationen aufzuknacken. Gelingen kann dies jedoch nur, wenn die Politik nicht weiter an ihrer Innovationsresistenz baut. Michaele Schreyer
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