: ad acta
■ betr.: Just: Mitgeschossen und unschuldig", taz vom 10.3.92 und "Just: SPD wäscht sich in Unschuld", taz vom 11.3.92
betr.: „Just: Mitgeschossen und unschuldig“, taz vom 10.3.92 und „Just: SPD wäscht sich in Unschuld“, taz vom 11.3.92
Es genügte schon, daß Gustav Just, damals noch SED, mit der Partei einst 1957 ideologisch aneinandergeraten war und in der Folge ein paar Jahre DDR-Gefängnis absitzen mußte. Als solchermaßen ausgewiesener SED-Gegner — von späterer oppositioneller Arbeit ist nämlich nichts bekannt — beginnt er mit der Wende 1989 die nächste politische Karriere. Wobei es den Parteifreunden von der SPD offenbar nichts ausmacht, wenn ihnen mit Just ein alter, nichtabgeurteilter Nazi-Kriegsverbrecher als „Alterspräsident“ im Parlament zu Potsdam vorsitzt. Denn spätestens ab Ende 1990 war Justs Weltkriegsvergangenheit ruchbar — die Fraktionsspitze wußte es, der brandenburgische Justizminister wußte Bescheid und endlich wußte es der sattsam bekannte Manfred Stolpe. Die Nichtbefassung mit dem Thema gipfelt dann darin, daß staatsanwaltliche Vorermittlungen still und leise wegen „Verjährung“ ad acta gelegt werden.
Auch wo der Skandal öffentlich ist, findet Gustav Just keine Worte der Scham, der Reue und Einsicht. Stattdessen orakelt er herum, ob es sich bei den sechs „abgerissenen wirkenden Menschen“, die er 1941 niederstrecken half, wirklich um Juden gehandelt habe. Als ob es darauf ankäme! Mandat und Ämter gibt er lediglich „mit Rücksicht auf die Fraktion, aus Gründen der politischen Hygiene“ ab. Soviel Kaltschnäuzigkeit raubt einem förmlich die Sprache. Die SPD, von Brandenburg bis Bonn, hält sich derweil bedeckt, als ginge sie das alles nichts an. Von einer Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen Just, der seine Tat offen zugegeben hat, ist bisher keine Rede.
Der Vergleich zum Mielke-Prozeß drängt sich auf. Der Genosse Mielke, der die Beteiligung an einem Polizistenmord von 1931 bestreitet, kann gar nicht alt und senil genug sein, um unter großem publizistischen Wirbel im Rollstuhl vor das Landgericht Berlin gebracht zu werden. Da benötigt ein deutscher Staatsanwalt auch keine Vorermittlungen zur Frage „Beihilfe zum Mord“ oder „Mord“ sondern klagt auf Grundlage der Akten von 1933/34 wegen Mordes an. Ein Mord, der auch nach 61 Jahren noch keineswegs verjährt war.
Hat Mielke zur falschen Zeit geschossen, besitzt er nicht die richtige Biografie für entsprechenden Straffreiheitsrabatt? Lothar Arnold, z.Z. Wolfsburg
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