coop-Prozeß auf Sommer vertagt

■ Richter gewährt den 16 Verteidigern der sieben angeklagten coop-Manager Zeit zum Aktenstudium

Frankfurt/Berlin (taz) — Nach drei Verhandlungstagen ist der Prozeß gegen die früheren Chefs des coop- Konzerns gestern in Frankfurt am Main ausgesetzt worden. Wie der Vorsitzende Richter Gernot Bokelmann bekanntgab, soll die Hauptverhandlung am 3.August dieses Jahres wieder ganz von vorne beginnen. Damit entsprach das Landgericht dem Antrag der Verteidigung, die gerügt hatte, daß ihr zur Prozeßvorbereitung 118 Aktenordner nicht zur Einsicht vorgelegen hätten. In den drei bisherigen Verhandlungstagen war es bisher lediglich darum gegangen, wieviel Zeit die 16 Anwälte der sieben Angeklagten realistischerweise zum Kopieren und Lesen dieser Bände brauchen würden.

Die Verteidigung hat nun Zeit, Einblick in umfangreiche Gutachten und Stellungnahmen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO zu nehmen, die diese für die Staatsanwaltschaft erstellt hatte. Die Anwälte hatten klar gemacht, ihre Mandanten wollten sich ohne Aktenkenntnis nicht zu ihren persönlichen Verhältnissen äußern. Ihren weitergehenden Antrag, den Prozeß ganz einzustellen, lehnte die Kammer ab. Der Vorsitzende Richter betonte gestern, entgegen den Befürchtungen der Anwälte enthielten die Gutachten keine neuen Vowürfe gegen die angeklagten coop-Manager.

In der Hauptverhandlung, die am 24.Februar begann, ist bisher nicht einmal die 329 Seiten schwere Anklageschrift verlesen worden, die der früheren coop-Führungsspitze (s. Kasten) vor allem Untreue und Bilanzfälschung vorwirft — Straftaten, auf die bis zu zehn Jahre Haft stehen. Die Vorstände Bernd Otto, Dieter Hoffmann und Michael Werner sollen sich außerdem persönlich bereichert haben. Auch wenn die Angeklagten nach wie vor nicht erklären können, wo die verschwundenen Milliarden geblieben sind, die nirgends in den Bilanzen als Verlust auftauchen, beteuern sie ihre Unschuld. Für Otto ist die Anklage gar ein „schlechter Scherz“, wie er die JournalistInnen wissen ließ.

Als Tatsachen bleiben jedoch: Mindestens 118 Banken haben rund 2,7 Milliarden Mark an faulen Krediten abschreiben müssen; nach der Aufdeckung des Skandals durch den 'Spiegel‘ im Jahr 1988 wäre das Einzelhandelsunternehmen mit damals 2.200 Filialen, 48.700 Beschäftigten und 12 Milliarden Mark Jahresumsatz beinahe in Konkurs gegangen. 150.000 Kleinaktionäre verloren ihr in coop-Aktien angelegtes Vermögen. Wie bereits im Herstatt-Prozeß hat sich auch im jetzt abgebrochenen Verfahren gezeigt, daß die Mittel der Strafjustiz nicht ausreichen, Wirtschaftsskandale dieser Größenordnung aufzuarbeiten. Gemeinhin ist es für die Verteidigung ein leichtes, über Verfahrensfragen den Fortgang der Verhandlung immer wieder hinauszuzögern. Zudem sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach drei Jahren nicht komplett abgeschlossen; neue Ermittlungsergebnisse, die sich bei der Überprüfung der 50 weiteren Beschuldigten ergeben, könnten möglicherweise seitens der Staatsanwaltschaft Korrekturen der Anklage nötig machen.

Auch wenn es im zweiten Anlauf im August zu den eigentlichen Angeklagepunkten kommt, können die Angeklagten mit dem komplizierten Netz aus Firmen und Stiftungen wahrscheinlich ein neues Verwirrspiel inszenieren. Schließlich haben auch vor 1988 die Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse nicht mehr die Geldströme nachvollziehen können. Laut Anklage wurden über die diversen Stiftungen in der Schweiz mindestens 26,5 Millionen Mark auf die Konten von Otto und Co. geleitet.

Und wahrscheinlich wären die Manipulationen der Manager nie ans Licht gekommen, hätte das Firmenkonglomerat an irgendeiner Stelle tatsächlich Gewinne eingefahren. So mußten die coop-Chefs immer kompliziertere Konstrukte zur Verschleierung der desaströsen Lage des Konzerns bauen — bis eben der 'Spiegel‘ sich das Auslandsgeschäft der coop näher anschaute — und auf dubiose Briefkastenfirmen stieß. Donata Riedel