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Keine Bremer Linie im Asylrecht

■ Anhörung der grünen Fraktion zeigte Positionslosigkeit des Ampelsenats

Gibt es Chancen für die Durchsetzung eines fairen Asylrechts? — Zu diesem Thema hatte die grüne Bürgerschaftsfraktion gestern nachmittag zur „Experten-Anhörung“ in die Bremer Bürgerschaft geladen. Mit einem einfachen „Ja“ mochte die Frage allerdings keiner der acht Podiumsteilnehmer beantworten. Im Gegenteil: Justizsenator Henning Scherf warnte sogar mehrmals das rund 100köpfige Publikum, das im wesentlichen aus MitarbeiterInnen von Flüchtlingsinitiativen bestand, davor, „das Problem einfach wegbeschließen“ zu wollen.

Während Niedersachsens Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Jürgen Trittin (Grüne), Bremens Unterstützung für die Absicht seiner Landesregierung einforderte, den gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU, CSU, FDP und SPD zur Verschärfung des Asylverfahrens grundsätzlich abzulehnen (vgl. auch Interview auf S. 33), wollte sich Henning Scherf lieber noch nicht auf eine Bremer Linie festlegen lassen.

Sein Parteifreund und Bürgermeister Klaus Wedemeier hatte den Bonner Asylplänen im SPD- Präsidium sogar zugestimmt. „Der bisherige Entwurf hat große Mängel“, sagte Scherf gestern, „aber wir werden uns im Senat dazu erst eine Meinung bilden, wenn das Gesetz aus dem Vermittlungsausschuß in seiner endgültigen Form wieder an uns zurückkommt.“

Dieser Absicht widersprach die Senatorin für Ausländerintegration, Helga Trüpel. Sie forderte, daß der Senat sich schon vorher mit dem Thema befassen müsse, um sich auf eine Unterstützung der niedersächsischen Position zu einigen. Im Ampel- Koalitionsvertrag war das brisante Thema offen geblieben. „SPD und FDP sprechen sich dafür aus, die zwischen Bund und Ländern vereinbarten weiteren Zielvorstellungen (der Asylpolitik) umzusetzen“, heißt es dort und weiter: „Die Grünen haben insbesondere gegen die geplante Änderung von Bundesgesetzen erhebliche Bedenken.“ Mit ihrem Veto könnten die Grünen den Senat allerdings zu einer Enthaltung im Bundesrat zwingen, wenn dort über das neue Asylverfahrensgesetz abgestimmt wird.

Der Bremer Asyl-Anwalt Volkert Ohm und der Anwalt und Vertreter der bundesweiten Initiative „Pro Asyl“, Rainer M. Hofmann, lehnten den Bonner Gesetzentwurf als eindeutig verfassungswidrig ab. Es gebe sowieso überhaupt keinen Bedarf für ein neues Asylrecht. „Wir haben nämlich kein Flüchtlingsproblem, sondern ein Wohnungsproblem“, erklärte Hofmann. Dem stimmte zwar auch Scherf in der Sache zu, warnte jedoch gleichzeitig davor, die Gefahr der Ausländerfeindlichkeit durch das weitere Hochkochen des Asylthemas zu unterschätzen. „Noch können wir eine Grundgesetzänderung verhindern“, sagte er auch in Richtung seines grünen Minister-Kollegen aus Hannover, „aber wir dürfen der Diskussion nicht einfach ausweichen.“ Ase

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