: Landshut, Stammheim, Schleyer — Herbst 1977
■ Entführer fordern Freilassung von RAF-Gefangenen/ GSG9 befreit Geiseln in Mogadischu/ Tod in Stammheim
Berlin (taz) — Deutschland im Herbst 1977. Der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer ist seit sechs Wochen entführt. Die Entführer verlangen die Freilassung von RAF-Gefangenen. Mitten in hinhaltende Verhandlungen und Nachrichtensperre platzt die Nachricht von der Entführung eines Flugzeuges mit deutschen Urlaubern. Mit 86 Passagieren und fünf Besatzungsmitgliedern an Bord war die Boing 737, Lufthansaflug 181, am 13. Oktober 1977 von Palma de Mallorca nach Frankfurt gestartet. Kurz nach dem Mittagessen zwangen mit Handgranaten Bewaffnete, zwei Männer und zwei Frauen, die „Landshut“ auf den Kurs nach Rom. Bei einer Zwischenlandung in Aden wird Flugkapitän Jürgen Schumann vom Anführer „Mahmud“ ermordet. 106 Stunden später, nach dem Ende des Irrflugs über Zypern, Bagdad, Bahrein, Dubai und Aden, werden die Passagiere auf dem Flughafen von Mogadischu in Somalia von einem Sonderkommando der deutschen GSG9 befreit. Die Geiseln sind alle unverletzt, drei der Entführer sterben, eine der Frauen wird schwer verschwundet. Die Ereignisse des „Deutschen Herbstes“, die mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer begonnen hatten, überschlagen sich. Wenige Stunden nach der Befreiung der „Landshut“ werden die Leichen der RAF- Gefangenen Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe in ihren Zellen in Stuttgart-Stammheim gefunden. Die vierte Gefangene, Irmgard Möller, ist schwer verletzt. Das Ermittlungsergebnis lautet: Selbstmord. Ihre Hoffnung auf Freilassung, mit der die vermutlich arabischen Entführer ihre Tat begründet hatten, war gescheitert. Im Elsaß findet die Polizei im Kofferraum eines Autos den erschossenen Hanns Martin Schleyer. Die bundesdeutsche Linke, deren Verhältnis zur RAF schon vorher abgekühlt war, verharrt einerseits in gelähmtem Schweigen, andererseits häuft sie eine Fülle von Vermutungen über die „Morde von Stammheim“ an, die auch von unabhängigen Gutachtern weder ausgeräumt noch verifiziert werden können. Auch die Frage, wie die „Landshut“-Entführer bewaffnet an Bord gehen konnten, ist ungeklärt. hei
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