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Welche Rolle gibt sich die KSZE?

Auf dem heute beginnenden Außenministertreffen der 48 Mitgliedsstaaten der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ wird über größere Kompetenzen des Gremiums diskutiert  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) — Nach 17 Jahren kehrt die „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ an ihren Gründungsort zurück. Heute morgen eröffnen die Außenminister der inzwischen 48 Mitgliedsstaaten in Helsinki die 4. KSZE-„Nachfolgekonferenz“. In den kommenden knapp vier Monaten bis zum abschließenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs vom 9. bis 11. Juli wird sich zeigen, ob die KSZE künftig eine substantiellere Rolle spielen oder weiterhin den in Nato, EG und WEU organisierten Interessen untergeordnet wird. Auf der Tagesordnung stehen Beratungen über ein neues Mandat für Rüstungskontrollverhandlungen, über die Stärkung der KSZE-Strukturen sowie über Alternativen zum bislang gültigen Konsensprinzip. Am Rande der heutigen Konferenzeröffnung werden die 22 Außenminister der Nato- und der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten das „Open Skies“-Abkommen über gegenseitige Luftraumüberwachung unterzeichnen.

An künftigen Verhandlungen über Rüstungskontrolle, Abrüstung oder vertrauensbildende Maßnahmen sollen alle 48 KSZE-Staaten gleichberechtigt teilnehmen. Es ist jedoch fraglich, ob in Helsinki ein entsprechendes Mandat zustande kommt. Zunächst einmal — so die Erwartung in vielen westlichen Staaten — müßten die GUS-Staaten die von der ehemaligen Sowjetunion im ersten Vertrag über die Reduzierung konventioneller Waffen übernommenen Verpflichtungen umsetzen. Der Wunsch nach Verhandlungen über die Verringerung von Soldatenzahlen wird in Bonn und anderen Hauptstädten zwar lautstark bekundet, zugleich werden jedoch Hindernisse errichtet. Die Bundesregierung drängt darauf, daß jetzt zunächst andere, vor allem Frankreich und Großbritannien, die Zahl ihrer Soldaten reduzieren. London und Paris tun dies derzeit zwar ohnehin, wollen sich jedoch nicht in verbindlichen multilateralen Verträgen auf künftige Höchstgrenzen ihrer Armeen festlegen. In Bonn wird argumentiert, mit der Festlegung, die Friedensstärke der Bundeswehr bis 1994 auf 370.000 Mann zu verkleinern, habe Deutschland bereits „Vorleistungen“ erbracht. Die Bundesregierung unterschlägt dabei, daß es sich hierbei keineswegs um „Vorleistungen“, sondern um den im Rahmen der 4+2-Verhandlungen gezahlten Preis für Moskaus Zustimmung zum Verbleib des vereinten Deutschlands in der Nato handelt.

Gegen eine Stärkung der KSZE- Strukturen oder eine Ausweitung ihrer Kompentenzen etwa durch die von Genscher in Prag vorgeschlagene Aufstellung von „Blau“- oder „Grünhelmen“ sperren sich insbesondere die USA. James Baker machte daraus bereits auf der letzten KSZE-Außenministertagung Ende Januar in Prag keinen Hehl. Bedenken gegen Genschers Vorstoß für ein KSZE-Leitungsgremium („Lenkungsausschuß“) kommen von kleineren Staaten, die eine „Dominanz“ der KSZE durch Deutschland und andere große Staaten befürchten. Diese und ähnliche Ängste stehen auch der Absicht entgegen, das bisher gültige Konsensprinzip aufzugeben und — zumal bei Entscheidungen über Sanktionen gegen ein Mitgliedsland, das gegen Menschenrechte und demokratische Prinzipien verstößt — Beschlüsse auch mit Mehrheit fassen zu können. Die Umsetzung dieser Absicht ist nach der vor allem von Genscher betriebenen schnellen Aufnahme aller GUS- Staaten noch schwieriger geworden.

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