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Neuer Streit zwischen ANC und de Klerk

Südafrikanische Regierung schlägt Übergangsräte vor, ohne deren Funktionen festzulegen/ ANC protestiert, da Mehrparteienkabinett erst in der zweiten Umbildungsphase entstehen soll  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Vorschläge für eine Übergangsregierung in Südafrika, die von der derzeitigen Regierung am Montag im „Konvent für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa) vorgelegt wurden, sind vom Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) scharf abgelehnt worden. Auch der Versuch der Regierung, die Auflösung der ANC- Armee „Umkhonto we Sizwe“ (Speer der Nation) zur Vorbedingung für die Einsetzung einer Interimsregierung zu machen, wurde vom ANC abgelehnt. Die jüngsten Regierungsvorschläge stellten das „Verfahren der Regierung in Verhandlungen ernsthaft in Frage“, sagte der ANC.

Die Regierung schlägt eine Reihe sogenannter „Übergangsräte“ vor, die mit Vertretern aller Parteien besetzt werden und eine vollwertige Übergangsregierung planen sollen. Die Räte sollen die in der Zwischenzeit weiterbestehende derzeitige Regierung beraten, sagte Verfassungsminister Gerrit Viljoen. Allerdings betonte er, daß die genaue Funktion der Räte noch in Verhandlungen festgelegt werden müsse.

Bisher hatte die Regierung ein übergangskabinett vorgeschlagen, das durch die Kooptierung von Vertretern der Opposition in das derzeitige Kabinett entstehen sollte. Aber ANC und andere hatten eine Mitarbeit im „Apartheidkabinett“ strikt abgelehnt. Aufgrund dieser „Empfindlichkeit“, hieß es in einer Erklärung der Regierung, werde diese Idee jetzt fallengelassen.

„Die Strukturen, die Präsident Frederik de Klerk jetzt vorgeschlagen hat, sind schlimmer als eine Kooptierung“, sagte ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa am Montag. In einem kooptierten Kabinett hätten die schwarzen Mitglieder zumindest wirkliche Macht. „Diese Räte werden keine exekutiven Vollmachten haben.“ Damit verstoße die Regierung gegen ein Anfang März erzieltes Codesa-Abkommen, in dem eine „exekutive Struktur“ für diese Übergangszeit beschlossen wurde.

Sowohl die Regierung als auch der ANC sprechen zur Zeit von zwei Reformphasen, bevor eine neue demokratisch gewählte Regierung an die Macht kommt. In der ersten Phase soll eine vorläufige Interimsregierung entstehen, in der zweiten Phase parallel zu einer verfassungsgebenden Versammlung eine eigentliche Interimsregierung die Macht haben.

Der ANC hat selbst eine Reihe von Mehrparteienkomitees vorgeschlagen, die in der ersten Phase die Vollmachten des Kabinetts übernehmen sollen. Diese ANC-Komitees unterscheiden sich nur wenig von den „Übergangsräten“, die die Regierung nun vorschlägt, außer daß die ANC-Komitees das Kabinett ersetzen sollen, während die Regierungsräte lediglich das Kabinett beraten sollen. Tatsächlich spricht das Abkommen von Anfang März, dem auch die Regierung zustimmte, ausdrücklich von einer „exekutiven Struktur“, die in der ersten Phase entstehen soll.

In den Regierungsvorschlägen wird das derzeitige Kabinett erst in der zweiten Phase durch ein Mehrparteienkabinett ersetzt. Das ist offenbar ein Versuch der Regierung, solange wie möglich an ihrer exklusiven Macht festzuhalten. Betroffen davon sind vor allem entscheidende Bereiche wie die Kontrolle der Sicherheitskräfte und der elektronischen Medien.

Nachdem die Regierung im Referendum letzte Woche unter Weißen überwältigende Unterstützung für ihr Reformprogramm erhalten hatte, fühlt sie sich offenbar in ihrer Verhandlungsposition gestärkt.

Das ist wohl ein Grund für die vergleichsweise unnachgiebigen jüngsten Vorschläge. Ähnlich verhält es sich wohl mit dem Versuch, die Auflösung der ANC-Armee zur Vorbedingung für die Teilung der Macht mit den Oppositonsgruppne zu machen.

Andererseits betont der ANC schon seit langen, daß er seine Armee erst auflösen wird, wenn eine Interimsregierung eingesetzt ist, wenn er also an der Kontrolle der südafrikanischen Armee beteiligt ist. Die Frage ist schon seit langem Gegenstand bilateraler Verhandlungen zwischen ANC und Regierung. „Diese Gespräche laufen so gut, daß wir damit rechnen, bald ein Abkommen zu erzielen“, sagte Ramaphosa am Montag, eine Einschätzung, die Verteidigungsminister Roelf Meyer teilt.

Offenbar ist der Versuch, die ANC-Armee zum Gegenstand der Mehrparteiengespräche zu machen, ein weiterer Versuch der Regierung, den ANC unter Druck zu setzen.

Ein ähnlicher Versuch hatte im Dezember bei der ersten Codesa- Vollversammlung zu einem harten öffentlichen Wortwechsel zwischen ANC-Präsident Nelson Mandela und de Klerk geführt.

Nach den jüngsten Vorschlägen der Regierung scheint in den Codesa- Gesprächen wieder alles offen. Die zweite Codesa-Vollversammlung, die ursprünglich für Ende März geplant war, wurde aufgrund des Referendums auf Ende April verschoben. Jetzt scheint auch das Datum unsicher. Der durch das Referendum verursachte „Waffenstillstand“ in den Verhandlungen ist beendet. Es sind in den nächsten Wochen harte Verhandlungen zu erwarten.

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