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Weniger Abtreibungen als im Vorjahr

Berlin (dpa/taz) — Die Zahl der gemeldeten legalen Schwangerschaftsabbrüche ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden 1991 in Westdeutschland auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren gesunken. Damit sind wieder einmal alle Argumente radikaler Lebensschützer widerlegt, die stets an hemmungslose Abtreibungswellen denken, wenn von der Neuregelung des Paragraphen 218 die Rede ist. Die „soziale Notlagenindikation“ gewinnt bei der Begründung einer Abtreibung immer mehr Bedeutung. Und immer mehr Frauen lassen einen Abbruch in einer gynäkologischen Praxis vornehmen, statt in einem Krankenhaus.

Nach den statistischen Angaben wurden im vorigen Jahr insgesamt 74.570 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet. Allein im Vergleich zu 1990 sind danach die Zahlen um gut fünf Prozent gesunken. Die Bundestagsabgeordnete Marliese Dobberthien (SPD) wertet dieses Ergebnis als einen Beweis für den sehr verantwortungsvollen Umgang von Frauen mit Schwangerschaftsabbrüchen. Das Argument, daß nur Strafandrohungen Abtreibungen verhindern könnten, sei damit eindeutig widerlegt. „Das Modell in den Niederlanden beweist, daß Verbesserungen der sozialen Rahmenbedingungen in diesem Zusammenhang wesentlich entscheidender sind“, meinte Frau Dobberthien gegenüber der taz. „Und darauf muß auch eine Neuregelung des gesamten Schwangerschaftsabbruchs abzielen.“

Das statistische Material aus Wiesbaden belegt, daß 88 Prozent aller Frauen, die sich zu einer Abtreibung entschließen, ihren Abbruch mit einer sozialen Notlage begründen. Diese Entwicklung sollte die PolitikerInnen aller Parteien daran gemahnen, ihre Entwürfe zur Reform des Paragraphen 218 deutlich am Selbstbestimmungsrecht der Frau zu orientieren und ihr keine Beratungspflichten zu verordnen oder strafrechtliche Konsequenzen anzudrohen. In den Verhandlungen zwischen SPD und FDP, die sich laut Frau Dobberthien äußerst zäh gestalten, beharrt die FDP bei einer angestrebten Fristenlösung auf einer Beratungspflicht und der Verankerung des Paragraphen 218 im Strafgesetzbuch. Innerhalb der Fraktion der SPD tritt die Mehrheit für eine freiwillige Informationsberatung ein. Eine strafrechtliche Verankerung ist hier nicht vorgesehen.

Die CDU/CSU-Fraktion beharrt weiterhin auf ihrem Indikationsmodell, das eine medizinische und eine psychosoziale Indikation vorsieht. Auf die vorgesehene ärztliche Dokumentationspflicht will man laut einem gestrigen Bericht der 'Süddeutschen Zeitung‘ großzügig verzichten, da diese mittlerweile eh „standesrechtlich erforderlich“ sei. ÄrztInnen müssen sich ja gegen mögliche Prozesse à la Memmingen wappnen. flo

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