CIA kannte RAF-Stasi-Connection

Der US-Geheimdienst berichtete schon Ende der 70er Jahre über den Aufenthalt von RAF-Mitgliedern in der DDR/ Sozialliberale Koalition ignorierte Hinweise, um Ostpolitik nicht zu gefährden  ■ Aus Washington M. Sprengel

Die Bundesregierung und die ihr nachgeordneten Sicherheitsbehörden hatten bereits Ende der 70er Jahre deutliche Hinweise darauf, daß sich Mitglieder der Rote Armee Fraktion (RAF) in die ehemalige DDR abgesetzt hatten. Die sehr engen Verbindungen zwischen der RAF und Mielkes Ministerium für Staatssicherheit — hier vor allem der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Meisterspions Markus Wolf — waren häufiger Gegenstand der regelmäßigen Gespräche zwischen Vertretern des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA in der BRD und ihren Kollegen beim Bundesverfassungsschutz oder Bundesnachrichtendienst. Unterrichtet war aber auch das Bundeskriminalamt, wie der ehemalige CIA-Missionschef und Geheimdienstkoordinator an der US-Botschaft in Bonn, George A. Carver, in einem Gespräch mit der taz bestätigte.

„Das war etwas, worüber wir uns so sicher waren, wie daß die Sonne am Morgen im Osten aufgeht.“ Carver, der von August 1976 bis August 1979 in der Bundesrepublik tätig war, ließ keinen Zweifel daran, daß diese Einschätzung auch von „den meisten meiner deutschen Kollegen“ geteilt wurde. „Wir waren geneigt, die Kooperation zwischen dem Staatssicherheitsdienst und der RAF mehr oder weniger als Gegebenheit in der Gleichung zu akzeptieren.“ Der damalige Leiter der Terrorismusabteilung beim BKA und spätere Präsident des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz, Gerhard Boeden, könne seine Angaben ebenso bestätigen wie der Hamburger Verfassungsschutz.

Nach mehr als zehn Jahren könne er sich zwar nicht mehr an Details der Gespräche mit den bundesdeutschen Sicherheitsbehörden erinnern, meinte Carver. Er sei sich aber sicher, daß in den Unterhaltungen aufgrund von Indizien und einer generellen Einschätzung der Lage eine „starke Überzeugung“ vorherrschte, daß „der MfS eng mit der RAF zusammenarbeitete“. Nach den damaligen Erkenntnissen des US-amerikanischen Geheimdienstes versorgte die DDR die RAF mit Waffen aus ihren Beständen, trainierte sie und sicherte ihnen finanzielle Unterstützung. Die DDR sei für die Terroristen Zufluchtsort und Asyl gewesen, wo sie „ihre Batterien wieder aufluden“ und, „wenn es im Westen zu heiß wurde, auch vorübergehend in den Ruhestand gingen“.

Die in diese Richtung weisenden Indizien seien „ziemlich deutlich gewesen“. „Wir wußten, daß der MfS den Terroristen das Reisen erleichterte, und wir wußten, daß die Terroristen zwischen Ost- und Westdeutschland hin und her reisten. Wenn sie dann plötzlich vom Radarbildschirm verschwanden und nirgendwo in Westdeutschland gefunden werden konnten, dachten wir, sie könnten sehr wohl im Osten leben. Der logische Platz, um nach einem westdeutschen Terroristen zu suchen, ist nicht Zypern.“

Carver räumte ein, daß weder der CIA noch die bundesdeutschen Behörden konkrete Belege für die Zusammenarbeit zwischen RAF und Stasi gehabt hätten oder darüber, daß sich RAFler mit Hilfe des MfS in der ehemaligen DDR zur Ruhe gesetzt hatten. Der Ex-Geheimdienstmann betonte aber mehrfach, daß die zahlreichen Hinweise ihm und den bundesdeutschen Behörden ausgereicht hätten, um zu diesem Schluß zu kommen. Wenn heute ein hochrangiger deutscher Politiker behaupte, man habe davon noch nie etwas gehört, habe dieser, so Carver, ein „sehr selektives Gedächtnis“. In einer „sehr engen, teutonischen Definition“ könne der Politiker zwar ohne rot zu werden behaupten, die deutschen Sicherheitsbehörden hätten nichts gewußt. „Aber wenn er sagen wollte, nicht nur haben wir davon nichts gewußt, sondern wir hatten auch keinen Grund, es zu vermuten, dann hält der zweite Teil des Satzes nicht stand.“

Beim Geheimdienst könne man nicht darauf warten, bis man einen Fall habe, der über jeden Zweifel erhaben sei, betonte Carver. „Sie müssen einem Verdacht und Vermutungen nachgehen, sie müssen dem nachgehen, was plausibel ist.“ Und eine Analogie gebrauchend, meinte er, „wenn drei Männer in einen Juwelierladen kommen und offensichtlich nichts kaufen wollen, sich aber interessiert die Alarmanlage des Ladens ansehen, wäre der Juwelier töricht, wenn er nicht annähme, die drei planten einen Überfall, und er träfe keine Vorsichtsmaßnahmen“.

Carver wies auch darauf hin, daß einige Mitglieder der damaligen sozialliberalen Regierungskoalition die Möglichkeit einer MfS-RAF-Zusammenarbeit — aus ideologischen Gründen und um die Ostpolitik nicht zu gefährden — geleugnet hätten. Aus den gleichen Motiven hätte es nach Carvers Einschätzung für die damalige Regierung auch Sinn gemacht, den Aufenthalt von RAF- Mitgliedern im Osten wissentlich zu ignorieren. Um den Erfolg der Ostpolitik nicht zu gefährden, habe man möglicherweise in Kauf genommen, daß sich ehemalige RAF-Leute im Osten zur Ruhe setzten. Die DDR ihrerseits habe ein vitales Interesse daran gehabt, die nachfolgende „Terroristen-Generation“ zu „ermutigen“. Und dafür habe es keine bessere Botschaft gegeben, als ihr zu signalisieren, daß sie sich auf die Unterstützung des Ostens verlassen und hier im Zweifel auch Unterschlupf finden könne.