: In eine schwarze, ölige Masse gebohrt
■ Riesiege Giftmülldeponie sorgt für Unruhe im Landkreis Hannover / Stadt Garbsen: Betonieren statt Sanieren
Erst vor nicht allzulanger Zeit wurden in Ronnenberg unter Einfamilienhäusern die giftigen Überreste einer Munitionsfabrik entdeckt. Jetzt macht die nächste Hiobsbotschaft die Runde: Aus einer alten Giftmülldeponie in Garbsen nördlich von Hannover sickern krebserregende Chemikalien ins Grundwasser. Direkt am Rande der Deponie steht eine Wohnsiedlung, auf dem Sondermüll siedelte die Stadtverwaltung Gewerbebetriebe an. Und am südlichen Rand der Deponie liegt die Lungenheilanstalt „Heidehaus“.
Mit ihren etwa 3,5 Millionen Kubikmetern Müll ist die Garbsener Altlast ungefähr sechsmal größer als die niedersächsische Skandaldeponie Münchehagen. „Aber mit Münchehagen ist das nicht zu vergleichen“, meint Eva- Maria Rexing, Sprecherin des Umweltministeriums in Hannover. Zwei hannoversche Fuhrunternehmen haben in der ehemaligen Tongrube im Garbsener Stadtteil Berenbostel Bauschutt abgeladen — allerdings auch Industrieabfälle wie in Münchehagen. Die Zusammensetzung des Garbsener Gift-Cocktails wurde bisher nicht untersucht. Fest steht, daß Reifen der Continental- Werke darunter sind und bleihaltiger Schlamm aus der Batterieproduktion der Varta AG. „Über die Menge kann ich nichts sagen. Damals gab es keine Begleitscheine“, so Varta-Sprecher Peter Schwertmann. Die Stadtwerke entledigten sich der Asche aus ihren Kohlekraftwerken — nach Informationen des Landkreises Hannover ohne Genehmigung. Hinzu kamen andere wilde Ablagerungen.
Abgekippt wurde in Berenbostel bis 1984. Im Jahre 1989 nahmen dann im Auftrag des Landkreises GutachterInnen das Wasser in der ehemaligen Tongrube unter die Lupe. Die WissenschaftlerInnen fanden u.a. „krebserregende Kohlenwasserstoffe“ und empfahlen dringend, „Bodenproben zu entnehmen, die auch auf Dioxine und Furane untersucht werden sollten“.
Es müsse auch überprüft werden, ob der Wind giftigen Staub in der Umgebung der Deponie verteilt habe. Schließlich befanden die Gutachter: „Baumaßnahmen sind grundsätzlich zu vermeiden“, damit die Schadstoffe im Boden nicht an die Oberfläche kommen.
Gegen diesen Grundsatz hatte die Stadt Garbsen zuvor jahrelang verstoßen. Auf der Müllhalde entstand ein Gewerbegebiet, obwohl die Stadtverwaltung von der Kippe wußte. Bis in die 80er Jahre hinein verteilten die städtischen BeamtInnen Baugenehmigungen. Als er sein Grundstück von der Stadt kaufte, sei die Belastung des Bodens nicht zur Sprache gekommen, erinnert sich Fuhrbetriebs- Chef Joachim Scheller. Ein anderer Gewerbetreibender winkte rechtzeitig ab, nachdem er bei Probebohrungen im Untergrund auf eine schwarze, ölige Masse gestoßen war.
Als Garbsen der Bebauung 1989 vorübergehend einen rechtlichen Riegel vorschieben wollte, erstritt sich ein Firmenchef die Baugenehmigung vor Gericht. Auch er hat jetzt ein Häuschen auf der Deponie. Möglich war das, weil die Stadt den Bebauungsplan noch nicht außer Kraft gesetzt hatte — „eine ziemliche Ungeheuerlichkeit“, so Eva-Maria Rexing vom Umweltministerium.
Was aus der Altlast unter dem Gewerbegebiet werden soll, ist noch nicht geklärt. Frank Bartram, Sprecher der „Bürgerinitiative Osttangente“, befürchtet, daß die Stadt das Problem bagatellisiert. Als Beleg wertet die Initiative, daß ursprünglich eine Straße quer über die Deponie gebaut werden sollte. „Nach dem Motto: Eine Straße ist die beste Abdeckung“, interpretiert Bartram. Das Projekt ist zwar einstweilen auf Eis gelegt, aber zur Sanierung des Bodens bedarf es noch einiger Gutachten. Da sind sich die Behörden einig. Und wie soll die Deponie saniert werden, ohne die Gewerbegetriebe wieder abzureißen? Hannes Koch
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