: Staatsschutzabteilung mit Nachwuchssorgen
■ Das brandenburgische Landeskriminalamt arbeitet seit einem Vierteljahr/ Im Visier: Viehdiebe und ehemalige Stasi-Leute, die illegal vier Millionen Mark einkassierten/ Probleme gibt es mit dem Staatsschutz: Der Name ist zu anrüchig
Basdorf. Axel Lüdders, 43, ist redselig. Das ist ungewöhnlich für einen Polizisten. Doch der Leiter des brandenburgischen Landeskriminalamtes (LKA) ist nicht ohne Hintersinn gesprächig. Gemeinsam mit seinen zweihundertzehn Mitarbeitern muß er an das Licht der Öffentlichkeit treten, wenn er das unter der DDR-Regierung verlorene Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen will.
Seit genau einem Vierteljahr gibt es das neue Landeskriminalamt in Basdorf, zwanzig Kilometer nördlich von Berlin. Die zwei mit über zehn Millionen Mark sanierten Plattenbauten wirken am Rand der Ortschaft allerdings etwas verloren. Auch die betont zurückhaltende Einzäunung — durchsichtig und nur schulterhoch — vermag den Eindruck nicht zu verwehren, daß das Gebäude mit Basdorf eigentlich nichts zu tun hat.
Dennoch ist Lüdders zufrieden. Jetzt — nach gerade drei Monaten — hält er sein Amt für arbeitsfähig, zweihundertzehn der insgesamt etwa zweihundertvierzig Stellen sind besetzt. Mit »ausgesprochen gut ausgebildetem Personal«, wie der Direktor erzählt. Kenntnisse fehlten den Kripo-Männern allerdings bei der Wirtschaftskriminalität. In diesem Bereich werde Brandenburg deshalb »massiv« vom Patenbundesland Nordrhein-Westfalen unterstützt, lobt Lüdders. Die Westkollegen in Düsseldorf sind so fürsorglich, daß sie zum Teil ganze Ermittlungsverfahren übernehmen. Derzeit helfen in den brandenburgischen Verwaltungen und Ministerien tausend »Wessis« aus — sechs davon sitzen in den Plattenbauten an der Basdorfer Ortsgrenze. Die Verbindungen werden bestens gepflegt. In der vergangenen Woche kam die Polizeispitze aus der mehrere hundert Kilometer entfernten nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt per Mannschaftswagen angereist. Der Chef des Düsseldorfer LKAs, Helmut Brandt, und seine sechs Abteilungsleiter hatten außerdem zwei Bierfässer mitgebracht. Zwei Tage lang feilschten Lüdders, Brandt und die Chefs der jeweiligen Abteilungen um personelle Verstärkung und Autos. Dabei tauschten sich auch kriminalistisches Know-how miteinander aus.
Bei den Verhandlungen kommt Lüdders zu paß, daß er die Düsseldorfer ausgesprochen gut kennt — bis zu seinem Wechsel nach Brandenburg im vergangenen Jahr arbeitete er eng mit Brandt zusammen. Er will ein paar brandenburgische Leute seinem ehemaligen Chef Brandt auf die Rückfahrt mitgeben. Sie sollen mehrere Monate lang bei der Bekämpfung illegaler Banden — im Polizeideutsch gern als »organisierte Kriminalität« bezeichnet — den Kollegen im Altbundesland über die Schulter gucken. Als »Multiplikatoren« werden sie später ihre Kenntnisse an die Kollegen in Basdorf weitergeben.
Probleme hat Lüdders auch bei der Besetzung der Abteilung II — dem »Staatsschutz«. Die Staatsschutzbeamten sollen wegen Landesverrats ermitteln und nach straffällig gewordenen Ausländern sowie nach Terroristen fahnden. Doch kaum einer bewirbt sich für diesen Job. Bisher sind von fünfundvierzig Stellen erst dreiundzwanzig besetzt. »Das Wort ist anrüchig«, erklärt sich Lüdders die dürftige Zahl von Bewerbungen. Der Begriff Staatsschutz wecke Erinnerungen an vergangene DDR-Zeiten.
Zu den Aufgaben der Abteilung II zählt auch die Aufklärung der Überfälle auf Flüchtlingsheime. Am vergangenen Donnerstag hat Innenminister Alwin Ziel (SPD) per Erlaß die fünf Polizeipräsidien des Landes und das LKA angewiesen, sich und ihm mit Hilfe eines »Sondermeldedienstes« einen genauen Überblick über rechtsextremistische Straftaten zu verschaffen. Zweck der Datensammlung sei, Überfälle von vornherein zu verhindern oder Täter schneller festzunehmen.
Linksextremistische Aktivitäten seien bisher kein Anlaß für kriminalpolizeiliche Ermittlungen, erläutert Brandenburgs oberster Polizist Lüdders. Für die Zukunft erwarte er aber mehr Arbeit für die Männer, die die Bundesrepublik gegen den »inneren Feind« schützen sollen. Brandenburg sei durch seine Nähe zum Regierungssitz in Berlin für politisch motivierte Straftäter besonders interessant.
Der Chef weiß, was er nicht verraten darf
Lüdders sieht besonderen Handlungsbedarf auch im Kampf gegen Erpressungen, Geiselnahmen, Banküberfälle und Bandenkriminalität. Wegen der in den neuen Bundesländern schlechter gesicherten Banken, der mangelhaften Telefonnetze und der wenig erfahrenen Polizisten würden Kriminelle aus den Altbundesländern angelockt — jede dritte der genannten Straftaten werde bereits von einem Altbundesbürger begangen. Künftig würden vermutlich auch Autodiebstähle und Drogenschmuggel mehr Gewicht bekommen. Durch die gemeinsame Grenze mit Polen fungiere Brandenburg als Transitland.
Das Landeskriminalamt hat die Aufgabe, die fünf brandenburgischen Polizeipräsidien zu unterstützen, sobald diese überfordert sind. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn offenbar dieselben Täter Straftaten im ganzen Land verüben, oder wenn hinter einem Verbrechen »Organisierte« stecken. Beispielsweise wurde für die Aufklärung der massenhaften Kuhdiebstähle eine Sonderkommission (»Soko Weide«) gegründet.
Eine zweite Ermittlungskommission soll verbotene Machenschaften ehemaliger Stasi-Mitarbeiter aufklären, die bisher einen Schaden von vier Millionen Mark anrichteten. Zu den bisherigen Ergebnissen der beiden Kommissionen will Lüdders kein Wort sagen. Auch wenn er gern erzählt, vergißt er nicht, was er nicht verraten darf.
Hinter vorgehaltener Hand ist allerdings zu erfahren, daß die Soko Weide kurz vor einem »sensationellen Erfolg« stehen soll.
Daß die Arbeit in Basdorf erst begonnen hat, macht ein Vergleich mit Düsseldorf deutlich. Dort ermitteln nicht wie in Brandenburg zwei, sondern derzeit dreißig Sonderkommissionen gegen Gauner und Gangster. Im vergangenen Jahr verstießen solche Schurken in dem mit 17 Millionen Einwohnern größten Bundesland 1,24 Millionen Mal gegen das Strafgesetz. In Brandenburg (2,6 Millionen Einwohner) wurde bis zu 150.000 Mal des Gesetz gebrochen. Dirk Wildt
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