: Königlich-Bayrische Paletten-Schieberei
■ Morgen tritt Teil zwei der Verpackungsverordnung in Kraft — die Industrie ist mit Teil eins noch überfordert
Berlin (taz) — Mer hom's ja schon immer g'wußt, kann sich Bayerns Umweltminister Peter Gauweiler (CSU) auf die Schenkel klopfen. Die vom Bonner Umweltminister Klaus Töpfer ausgeknobelte Verpackungsverordnung verringert den Müll nicht und wird zumindest im Freistaat auf dem Rücken der kleinen Händler ausgetragen. Die bleiben nämlich auf den Transportverpackungen, also Paletten und Plastikeinschweißung, sitzen, obwohl die Verpackungsverordnung ganz eindeutig vorsieht, daß „Hersteller und Vertreiber verpflichtet sind, diese Transportverpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen“.
Die großen Lieferanten denken häufig gar nicht daran: Sie versuchen im Gegenteil die Einzelhändler dazu zu bringen, Paletten und Plastikeinschweißung selbst zu entsorgen. Nachdem das Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen vor zwei Wochen einen ersten Fall öffentlich gemacht hatte, in dem ein Großlieferant einen kleinenen Händler unter Druck gesetzt hatte, ist es seitdem zu einer Flut von Beschwerden oberbayrischer Tante-Emma-Läden gekommen.
Guido Kamp, der zuständige Leiter des Bauamtes in Garmisch, vermutet inzwischen ein ganzes „Lieferantenkartell“, das sich untereinander abspreche, um die lästige Entsorgungspflicht loszuwerden.
Kamps und die Mitarbeiter im Landratsamt sind aber nicht gewillt, solche Mafiamethoden einreißen zu lassen. Sie haben ein Bußgeldverfahren gegen den Lieferanten auf den Weg gebracht. Auch im bayrischen Umweltministerium ist man verärgert über den Paletten-Krieg im eigenen Land. „Das ist nicht zulässig“, so Gauweilers Sprecher Joachim Hoffmann. Weil das Münchener Ministerium registriert hat, „daß es sich nicht bloß um ein regionales Problem handelt“, habe man die Einzelhändler noch einmal auf die Rechtssituation hingewiesen. „Da können sich die Händler wehren“.
Hoffmann beobachtet wie auch andere Kritiker der Verpackungsverordnung, daß die Kosten für das neue Müllsystem an den Schwächsten im Markt hängenbleiben. Ein großer Lieferant kann dem kleinen Tante-Emma-Laden die Kosten für seinen Müll aufbürden, „aber wenn der Händler eine Supermarkt-Kette ist, dann verschwindet der Lieferant ganz einfach aus dem Regal“.
Gelassen beobachten die Bonner Verbraucherschützer und Umweltverbände die Kämpfe in der Branche. Für zentraler als den Streit um die Transportverpackungen halten die Kritiker der Verpackungsverordnung nämlich die Auswirkungen des „Dualen Systems“ mit seinem „Grünen Punkt“ auf die Verkaufsverpackungen selbst. Produkte ohne „Grünen Punkt“ werden ganz einfach aus den Regalen gedrückt, auch wenn sie durchaus umweltfreundlicher sind, so die Verbraucherinitiative.
Und die Kritik findet Widerhall im Münchener Umweltministerium. „Wir sind potentielle Gegner, auch wenn wir die Verordnung aus Bonn vollziehen müssen“, so Sprecher Hoffmann. Damit aber der Freistaat bei einem Scheitern des „Dualen Systems“ nicht müllpolitisch nackt dastehe, habe man das „Duale System“ genötigt, in vielen Kommunen das alte Entsorgungssystem zu übernehmen. Hermann-Josef Tenhagen
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