PORTRÄT
: Habitus des Machers

■ Kohls neuer Mann auf der Hardthöhe heißt Volker Rühe (49)

Viel lieber wäre er Außenminister geworden, aber nun schließt Volker Rühe zum zweiten Mal eine akute Personallücke und übernimmt die Hardthöhe. Helmut Kohl kann auf Rühe eben rechnen. Im Herbst 1989 präsentierte der CDU-Chef ihn als Überraschungsnachfolger für Heiner Geißler im Amt des CDU-Generalsekretärs. Die Partei schwieg damals verblüfft und wählte den Nachfolger mit stattlicher Stimmenzahl.

Volker Rühe ist unbestreitbar ein Mann des Kanzlers und des Parteivorsitzenden, aber das charakterisiert ihn nur unvollständig. Der Hamburger, Jahrgang 1942, Lehrersohn und selbst Studienrat (Deutsch und Englisch, letzteres günstig, um als Kanzlerbegleiter mit Sprachkenntnissen aushelfen zu können), war 1989 in einer eher stillen Phase seiner Politikerkarriere angelangt.

Volker Rühe galt als „Genscherist“, als das in der Union noch wie ein Schimpfwort klang. 1985 — ein Aufschrei ging durch die Vertriebenenverbände — hatte Rühe im Bundestag behauptet, die Warschauer Verträge hätten Gültigkeit auch für einen künftigen gesamtdeutschen Souverän. Mit dem Wort von der „politische Bindewirkung“ der Verträge kam er bei seiner Partei nicht gut an. Später bewegte sich Rühe, für den die Außenpolitik auch im Amt des Generalsekretärs bevorzugtes Thema blieb, von Genschers Positionen weg. Nicht nur, weil er selbst auf dessen Amt schielte, zielten in schöner Regelmäßigkeit Rühes Pfeile aus dem Konrad-Adenauer-Haus auf den Außenminister.

Volker Rühe, der Mann mit dem Habitus des Machers, hatte als Generalsekretär der CDU unerwartet die deutsche Einheit der Union zu managen. Er hat es darin weiter gebracht als sein Kollege von der anderen Volkspartei, nicht nur deswegen, weil er mit der Blockflöten-Union anders als die SPD eine organisatorische Plattform hatte. Er hat zugepackt und wäre ungerecht beurteilt, wenn man ihm nachsagte, er habe die Ostpartei lediglich übernommen. Wie immer Rühe motiviert sein mag — und machttaktische Gründe können sicher zu Recht vermutet werden: Der Generalsekretär betreibt Geschichtsaufarbeitung. Das CDU- Papier zur deutschen Geschichtsdebatte, das Rühe zusammen mit ostdeutschen Unionspolitikern erarbeitet hat, fand Lob auch bei Bürgerrechtlern des Bündnis 90. Unerwähnt bleiben sollte nicht, daß der Begriff „Wirtschaftsasylant“ aus dem demagogischen Repertoire Rühes stammt. Tissy Bruns