: Im Supermarkt wird noch nicht ausgepackt
■ Mikroskopische Hinweise, Provisorien, Ignoranz: Umverpackungs-Rücknahme läuft kaum an
Verstohlen blickt sich der junge Mann im Steintor-Pennymarkt um. Soeben hat er ein Viererpack Blättchen erworben, und nun will er die lästige Verpackung loswerden — denn seit gestern haben alle KundInnen das Recht, Umverpackungen im Laden zurückzulassen. Doch wohin damit? Sammelbehälter sind weit und breit nicht zu sehen — in einem unbeobachtet geglaubten Moment wirft er die Blättchen-Kartonage hinter den Tresen. Erst da weist die Kassiererin barsch auf zwei unscheinbare Kartons neben der Ausgangstür, darüber in winziger Handschrift: Papier und Folie.
Mit der Umsetzung der Rücknahmepflicht für Umverpackungen, dem seit gestern geltenden zweiten Schritt der Töpferschen Verpackungsverordnung, tun sich Läden und Kundschaft noch schwer. Von Ladenkette zu Ladenkette, ja sogar in jeder Filiale sind die Möglichkeiten zur Entsorgung verschieden. Bei Penny oder Aldi stehen improvisierte, schwer auszumachende Pappkartons, auf die mal mit mikroskopischen Papptäfelchen, mal mit Werbeplakaten für den Grünen Punkt hingewiesen wird.
Bei Karstadt erwarten in den Abteilungen unscheinbare Mülltonnen die entsorgungswilligen KundInnen, DIN A 5-Zettel kleben als Alibi-Hinweise an einigen wenigen Pfeilern. Die verwaisten Tonnen sind denn auch so gut wie leer. Rühmliche Ausnahmen: Neben den Umweltfrosch-Plakaten bei Tengelmann hängt ein großer Hinweis: Umverpackungen können zurückgelassen werden. Recycling-Box im Ausgangsbereich.
Auch in den Coop-Läden gibt es bunte, deutlich sichtbare Abfalltonnen. Aber für die meisten Supermärkte gilt: Im Packbereich geht es ohnehin schon eng zu — und durch die neuen Behältnisse wird es noch enger.
Selbst da, wo genügend Platz vorhanden ist und die Container ausreichend gekennzeichnet sind, tut sich ein neues Problem auf: Was wohin gehört, scheint den VerbraucherInnen nicht bekannt oder egal zu sein. Papier, Plastikfolien, buntbedruckte Pappen und Kunststoffreste werden wild durcheinander geworfen, egal wie groß die Hinweise auf den Behältern sind.
Eigentlich müßten die Läden die Umverpackungen anschließend sortieren und sie an Recycling-Händler weitergeben — doch an den Reaktionen einiger KassiererInnen läßt sich absehen: Die gesammelten Verpackungen landen doch noch in der normalen Mülltonne.
Bis jetzt machen auch nur wenige KundInnen von ihrem Recht Gebrauch: „Prinzipiell gut“ findet eine ältere Dame die Idee, aber: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir die Mühe machen würde, meinen Einkauf schon im Laden auszupacken. Wir bringen sowieso alles zu den Containern.“ Und der Kommentar einer jungen Frau: „Als Berufstätige hab' ich für sowas keine Zeit.“
Die KundInnen, die großen Wert darauf legen, haben nach den Erfahrungen der Einzelhändler ihren Verpackungsmüll schon vorher zurückgelassen. Ist also im Prinzip alles beim Alten? Erstaunlich: Bei den Einkäufen von zehn Tengelmann-KundInnen fällt überhaupt kein Umverpackungs-Müll an — keine zusätzlichen Margarine-Kartons, keine Einschweißfolien, keine überflüssigen Schächtelchen. Die Hersteller, durch die schrittweise Einführung der Verpackungsverordnung vorgewarnt, reagieren offensichtlich auf den Druck des Handels: Denn der stellt die Kosten für die Entsorgung in Rechnung.
„Wir sind im Sammeln bereits heftig geübt“, sagt Apotheker Ludwig Klingmüller aus der Sonnen-Apotheke: „Wir nehmen Verpackungen schon seit Anno Tobak zurück.“ Seine KundInnen fragt er grundsätzlich, ob sie Schachteln dalassen wollen. Für Arzneimittel gilt die Verpackungsverordnung allerdings nicht: Wegen der aufgedruckten Verfallsdaten und Dosierungsvorschriften gelten Inhalt und Verpackung als „Einheit“.
In einem kleinen türkischen Lebensmittelgeschäft fällt man aus allen Wolken: Möglichkeiten zur Entsorgung? „Hier ist doch gar nichts eingepackt“, antwortet die Verkäuferin. Danach habe auch noch nie jemand gefragt. Wenn jemand was dalassen wolle, komme es eben in den Müll: „Wir würden ja gerne mitmachen, aber in unserem vollen Laden ist gar kein Platz dafür.“ L.R./skai
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen