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Arbeitsloser wird Millionär

■ Lüneburg will einen überflüssigen Chefarzt mit zwei Millionen Mark abfinden

Der teuerste Arbeitslose in ihren Mauern wird die Stadt Lüneburg voraussichtlich zwei Millionen Mark kosten. Das sieht zumindest ein Vergleich vor, auf den sich der Chefarzt der längst geschlossenen Lungenabteilung des städtischen Krankenhauses, Dr. Christian Ellendorff, einlassen soll. Mit der Abfindung solle das „leidige Problem“ des Mediziners, der trotz Nichtstuns Gehalt bezieht, gelöst werden, sagte Oberbürgermeister Ulrich Mädge. Der vom Schlichter vorgelegte Vergleichsvorschlag habe gute Aussichten, von beiden Seiten angenommen zu werden.

Dr. Ellendorff war noch 1985 als praktisch unkündbar für die im Elbestädtchen Bleckede angesiedelte Lungenabteilung eingestellt worden, die dann im Frühjahr 1989 geschlossen wurde. Der Mediziner wollte nach dem Ende in Bleckede im Haupthaus des städtischen Krankenhauses eine eigene Allergieabteilung übernehmen. Dies scheiterte jedoch am erheblichen Widerstand jener Chefarztkollegen, die seit 1989 auch Lungenpatienten in ihren Abteilungen behandeln.

Dr. Ellendorf rief nach seiner Kündigung die Arbeitsgerichte an und gewann in allen Instanzen, so daß die Stadt dem 40jährigen monatlich rund 25 000 Mark an Gehalt und entgangenen Privatpatientenhonoraren zahlen mußte. Das Arbeitsgericht sprach ihm zwischenzeitlich eine Gehaltsnachzahlung und eine Entschädigung von 280 000 Mark zu.

Einen zunächst gemachten Vergleichsvorschlag des Arbeitsgerichts, dem arbeitlos gemachten Mediziner eine Abfindung von 2,5 Millionen Mark zu zahlen, hatte die Stadt abgelehnt. Bis zum Rentenalter stünden Ellendorff bei unveränderter Sachlage noch über sieben Millionen Mark zu.

An dem Debakel sind alle drei großen Rathausparteien beteiligt, die noch 1986 aus wahltaktischen Gründen die unrentabel gewordene Lungenabteilung nicht schließen wollten. Damals hätte der Vertrag mit dem Chefarzt noch ohne immense Folgekosten gelöst werden können, verlautete aus dem Rathaus. dpa

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