: Wollen Sie gern viel Geld verlieren?
■ Eine Branche halb hinter Gittern: Warenterminhändler Hans-Joachim H. z.B.
Möchten Sie ganz schnell reich werden? Am Telefon vereinbaren, Scheck schicken, vier Wochen später kommt der Scheck mit doppelter Summe zurück? Heißer Tip: Das geht nur mit Warentermin-Geschäften. Zahnärzte, Apotheker, Facharbeiter — Leute, die viel Geld verdienen, aber weder Zeit noch Sachkenntnis haben, über Geldanlage nachzudenken, sind die ersten Adressaten der Branche. Oder besser: Opfer. Gern kleinere Ortschaften, Leute vom Lande, die lange Wege scheuen.
Ein Warenterminhändler nach dem anderen tauchte in den letzten Jahren vor der Großen Strafkammer des Bremer Landgerichts auf, zuletzt Hans-Joachim H. von der Firma „Diro-Warenterminhandelsgesellschaft mbH“. Vorwürfe: Steuerhinterziehung, Betrug und Bankrott.
„Brüggemann hat bei mir gelernt“, meinte Hans-Joachim H. am Rande des Prozesses nicht ohne Stolz. Gegen den TUS-Walle-Sponsor und Branchen-Kollegen ermittelt die Staatsanwaltschaft ebenfalls.
„Nach einer amerikanischen Statistik verlieren 30 Prozent der Anleger ihr Geld“, sagt Hans-Joachim H. „In Wirklichkeit verlieren aber 100 Prozent“. Wie den kleinen Spielern vor den Groschenautomaten können die großen Spieler nicht aufhören, falls sie einmal was gewonnen haben sollten. Sie hören erst auf, wenn sie alles verloren haben.
In einem Gerichtsverfahren in Sachen Diro hat der Bremer Anwalt Hambusch 1986 vor dem Bundesgerichtshof ein höchstrichterliches Urteil erstritten, nach dem es als schuldhaft gilt, wenn Terminhändler ihre Kundschaft nicht über die Risiken des Geschäftes aufklären. In hunderten von Prozessen haben Anleger versucht, ihre verlorenen Gelder zurückzuerhalten. Nur wenn in dem verschickten Prospekt des Warenterminhändlers klar steht, daß das Warentermingeschäft eine reine Spekulation mit überwiegender Verlustaussicht ist, gilt das vor dem Bremer Landgericht als hinreichende Aufklärung der Kundschaft. Ob das in den Telefongesprächen so klar gesagt wird? Wenn Warenterminhändler ihren Kunden und Opfern erklären würden, daß ca. 45 Prozent des in gutem Glauben angelegten Geldes als Provision bei dem Vermittler bleibt, daß die wirklich an der Warentermin- Börse plazierten 55 Prozent sich schon verdoppeln müßten, um dem Anleger bescheidenen Gewinn zu bringen — würde dann jemand einen Penny geben?
Wenn einige der Geldanleger mit relevanten Summen vor Gericht gehen und gleichzeitig Rückerstattungen einklagen, droht der Firma der Offenbarungseid. Gegen Volker Brüggemanns „Contracta“ etwa hat ein Anleger einen 13-Millionen-Titel vor Gericht erstritten. Der Anleger wird sein Geld nie wiedersehen, da die „Contracta“ von Brüggemann pro Forma nach Cottbus verlegt wurde und Konkurs angemeldet hat. Gleichzeitig schenkte Brüggemann alle Gesellschafteranteile an der neuen Firma „Contracta futures“ (Sitz: Oldenburg, dort ist das Bremer Landgericht nicht zuständig), seiner Tochter.
Der Konkurs der „Diro“ des Hans-Joachim H. ist ein weitgehender Parallelfall: Als die Zivilverfahren gegen seine „Diro“ sich überstürzten — die Gerichte verurteilten ihn schließlich zur Rückzahlung von mehr als sechs Millionen Mark — da gingen Mitarbeiter, Kunden und Telefonnummern der Diro auf die neu gegründete „Delphin“ über. Sein Pech: H. hat keine volljährige Tochter. Im Falle der Diro/Delphin war es die angelernte Mitarbeiterin von H., die zur alleinigen Geschäftsführerin der neuen „Delphin-Warenterminhandelsgesellschaft“ eingesetzt wurde, die Diro meldete Konkurs an.
Die ehemalige Mitarbeiterin hat mit ihrem früheren Chef und Ausbilder einen Beratervertrag: Warenterminhändler Hans-Joachim H. erhält genau die pfändungssichere Summe von 15.000 Mark. Die zur Geschäftsführerin aufgestiegene Mitarbeiterin bekommt derweil die stolze Summe von 13.500 Mark plus Dienstwagen — „Wieviel geben Sie dem Angeklagten davon jeden Monat?“, fragte der Staatsaanwalt provozierend, als die Frau unsicher vor Gericht auf dem Zeugenstuhl saß.
Der Staatsanwalt wollte ihn hinter Gitter schicken — eine Haftstrafe über zwei Jahre kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Gericht hatte eine Strafe vom Landgericht Hamburg aus dem Jahre 1989 einzubeziehen und verhängte zwei Jahre und zwei Monate. Begründung: H. habe 200.000 Mark Steuern hinterzogen, keine ordnungsgemäße Buchhaltung geführt, nicht rechtzeitig Konkurs angemeldet.
Strafverschärfend sei, hatte der Staatsanwalt argumentiert, daß H. weiter „als Kopf der Bremer Warenterminszene“ tätig sei, nämlich über seine „Strohfrau“ eine eigene Firma steuere und sogar den Verband der Warwenterminhändler berate.
Der Vorsitzende Richter Scotland führte dagegen strafmildernd an, daß das Geschäft den Angeklagten in Versuchung geführt habe: „Erst als er in die Warenterminbranche geraten ist, kam er, wie so viele andere, mit dem Gesetz in Konflikt.“ K.W.
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