: Die Ratinger Russen kommen
Eishockey-Relegation, 2. Spiel: EC Ratingen - ES Weißwasser 3:2/ Weißwasser darf sich (erneut) mit Niederlagen die Bundesliga-Zugehörigkeit erhalten ■ Aus Ratingen Bernd Müllender
Aufstiegsduell EC Ratingen gegen Eissport Weißwasser 3:2: Ein ansehnliches Match, spieltechnisch niveauvoll, mit einem Publikum von erfrischender Lautstärke und Wildheit, kurzum: bundesligawürdig. Es war ein Spiel, das vor gut zwei Jahren noch als brüderlich-sozialistisches Länderspiel DDR-UdSSR hätte durchgehen können. Der Bundesliga-Vorletzte Weißwasser, gespickt mit lauter ehemaligen ostdeutschen Auswahlspielern, gegen den Zweitligazweiten EC Ratingen, in dessen Reihen nicht weniger als ein Dutzend Igors und Andrejs, Vitalis und Sergejs für Puckwirbel sorgt.
Im Laufe der Saison hatten die Ratinger „Löwen“ — eine Lücke in den Verbandsregularien listig nutzend — diese als deutschstämmige Russen an den Rhein gelockt (darunter mit Swetlow und Kusnetzow zwei Ex- Stars aus Viktor Tichonows Nationalteam), die Tabelle mit kombinationssicherem und kunstfertigem Scheibu-Spiel von hinten aufgerollt und stehen nun als „ZSKA Ratingen“ (Volksmund) kurz vor dem Aufstieg in die Bundesliga. Die Brüderlichkeit indes ist geblieben, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Denn der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) hat mit seiner Entscheidung, wer den vakanten Platz des freiwilligen Absteigers SB Rosenheim einnimmt, den Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Siegt Weißwasser im „best of three“, bleibt Gegner EC Ratingen zweitklassig, und der EV Landshut darf in der Bundesliga bleiben. Setzt sich dagegen der Zweitligazweite Ratingen durch, bleibt Weißwasser erstklassig. Mit anderen Worten: Die Oberlausitzer kämpfen lediglich für die Belange eines Dritten, den EV Landshut.
Besonders ärgerlich: die gleiche Art unsportliches Zugriffsrecht hatte der DEB schon einmal, in der Saison 90/91, festgelegt. Auch damals mußte Weißwasser in die Relegation und machte es dem Krefelder EV im entscheidenden dritten Spiel ansehnlich leicht, durch einen lockeren 6:1-Sieg in die Bundesliga aufzusteigen. Damals hatte Eintracht Frankfurt aufgegeben, und Dynamo Berlin war der Gelackmeierte.
Beim DEB argumentiert man scheinheilig — einvernehmlich mit den beiden sportlichen Relegaten —, der bayerische Traditionsverein habe sportlich seine Chance gehabt, aber nicht genutzt. Landshuts Sprecher Max Fedra dagegen hat im DEB-Reglement „a Durcheinander sondersgleichen“ ausgemacht und meint, das Aufstiegsprocedere sei schon „a bisserl a Schmarrn“. Letztlich aber bleibt ihm nur Resignation: „Wir müssen uns damit abfinden und auf a Wunder hoffen.“
Mit geringen Aussichten — trotz Weißwassers 5:4-Sieg im ersten Spiel am Freitagabend. Das belegte eine kanzlerhafte Szene am Sonntag nach dem zweiten Spiel: So wie sich Helmut Kohl einmal nach einem Wahlabend darüber freute, „eine Niederlage errungen“ zu haben, blieb auch Weißwasser-Manager Anton Helmus nach dem 2:3 ganz entspannt, fröhlich und locker: „Ja, soll ich mich denn jetzt ärgern?“ fragte er vergnügt. Nein, warum auch?
Der 3:2-Sieg (nach schneller 3:0- Führung) der Ratinger Rhein-Russen — landesüblich mit zeitweise traumhaft sicherem Überzahlspiel und brillanter Kellenkunst — war nur in den Schlußminuten scheinbar gefährdet und entsprach den allgemeinen Erwartungen. Passend auch, daß die Kontrahenten sich einvernehmlich auf Düsseldorf als dritten Spielort vorab einigten. Weißwasser hatte per Münzwurf Heimrecht erhalten, verzichtete aber auf den sportlichen Vorteil zugunsten einer brüderlich- kapitalistischen extra-fetten Einnahme. Ratingens Präsident und Besitzer der Spielzeugstadt „Minidom“, Georg Dommel, ohnehin versiert im Umschiffen von Verbandsbestimmungen, meinte treuherzig in teamspezifischer Terminologie: „Keiner der Beteiligten hatte große Lust, russisches Roulette zu spielen.“ Am heutigen Dienstag abend folgt an der Brehmstraße Teil3 der Farce: Ratingen wird siegen, und damit werden beide gewinnen. Wetten daß...?
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