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Fluch über der Ostseehalle

■ Die SG Wallau-Massenheim erreichte durch ein 24:21 beim Vorjahresfinalisten THW Kiel das Endspiel um die Deutsche Handballmeisterschaft/ Überragender Spieler war der Finne Mikael Källman

Kiel (taz) — Schluchzend, einander mit Sekt begießend und die meisten nahe den Tränen standen die Spieler der SG Wallau-Massenheim, ihr Manager Bodo Ströhmann und die mitgereisten 21 Fans beieinander: Sie hatten es geschafft. „Ein Wunder ist geschehen“, sagte Trainer Velimir Klajic, und Ströhmann sekundierte: „So ein Tag, ja...“ Weitere Wortmeldungen gingen im Gestammel des menschlichen Knäuels unter. Verbürgt ist: sie tanzten ihre Freude inmitten eines eisigen Kühlschranks heraus.

Die 7.000 Zuschauer in der Kieler Ostseehalle hatten keinen Grund zum Lachen. Ihre Helden, die Spieler der THW Kiel, hatten soeben die Partie gegen den Meister der Handball-Südstaffel verloren. Mit 21:24 gar, ein Klassenunterschied. Manager Heinz Jacobsen, der demnächst auf den Posten des Präsidenten des Deutschen Handball-Bundes wechseln soll und bislang der Garant des chronischen THW-Erfolges war, ärgerte sich kaum über die Niederlage, die den Einzug ins Meisterschaftsfinale verwehrte: „Die Saison war ein Erfolg.“ Es waren Worte der Resignation. Eindeutiger schon äußerte sich Trainer Holger Oertel: „Es scheint ein Fluch auf uns zu liegen. Der große Wurf will uns einfach nicht gelingen.“

Jahr für Jahr werden die Mannen vom Turnverein Hasse-Winterbek für meisterwürdig erachtet — und immer scheitern sie. Entweder am eigenen Ungeschick, dann wieder an Unterschätzung der Konkurrenz — oder auch einfach an einer besseren Mannschaft. Der Fluch vom Sonntag hatte nämlich einen Namen: Mikael Källman.

Der 28jährige Hüne, ein Rückraumspieler von genialischem Format, zermürbte die Kieler Art des Spiels fast von allein. Virtuos dirigierte der Finne, der neben dem THW-Regisseur Magnus Wislander als bester Inszenator des Handballspiels hierzulande gilt, sein Team. Und eine Geste verdeutlichte seine Kunst ganz besonders. Das war, als Källman in der 24.Minute einen Ball seines Kollegen Mike Fuhrig nicht erst fing, ehe er ihn an den späteren Torschützen Matthias Schmidt weiterleitete, sondern einfach nur sanft auf dem Handballen empfing, um ihn mit einer Bewegung nach rechts weiterzuschicken: Källman, der in Wallau allein schon deswegen bleiben will, weil es dort so schön gemütlich- kleinstädtisch ist, war die entscheidende Relaisstation des Massenheimer Erolgs. Sechs Treffer steuerte er selbst zum Auswärtserfolg bei, sieben weitere wären ohne sein Zuspiel nicht erzielt worden.

Ein weiteres Plus der Hessen war nicht zuletzt das Kieler Publikum. Es ist kein Mob, der den THW anfeuert, es sind Aristokraten des Sports. 6.800 Dauerkarteninhaber, die mit gediegenem Applaus stets die Contenance bewahren. Da liegt beispielsweise ihre Mannschaft mit 7:11 zurück — und kein Mucker entfleucht den Anhängern. Im vergangenen Jahr konnte der THW die SG noch schlagen — dies geschah freilich vor dem weit lebendigeren Publikum in der Neumünsterschen Holstenhalle. Gelegentlich muß der THW in andere, auswärtige Hallen ausweichen, wenn die Stadt Kiel mal wieder die Ostseehalle anderweitig vergeben hat. Die Kieler Zuschauer jedenfalls — auf sie ist kein Verlaß in kritischen Situationen. Das wissen auch die Spieler des THW. Es ist eben schick, zum THW zu gehen — mehr nicht. „Die Saison ist vorbei“, sagte Manager Jacobsen, „wir haben die einteilige Bundesliga erreicht. Mehr war nicht drin.“

Daß er sich darüber beklagt, künftig von der Stadt Kiel in puncto Bandenwerbung ausgebootet zu werden, ist kaum schlüssig: Weiß Jacobsen nicht auch, daß Gastspiele in der Region — Hamburg, Neumünster — wesentlich erfolgversprechender sind? Die Heimfahrt der SG Wallau- Massenheim soll übrigens feucht- fröhlich verlaufen sein. Man weiß: ohne Källman wäre man ein Dorfverein. Mit ihm dürften selbst Tusem Essen oder die SG Leutershausen — die möglichen Finalgegner — keine Probleme bereiten. Arne Fohlin

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