: Rechte wollen Wende zu ganz Deutschland
■ In Baden-Württemberg beenden die „Republikaner“ ihre Durststrecke nach der deutschen Vereinigung und sind finanziell gerüstet für den Organisationsaufbau im Norden und im Osten
Wir kämpfen um ein zweistelliges Ergebnis“, hatte Franz Schönhuber, Bundesvorsitzender der rechtsextremen „Republikaner“, eine Woche vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg gewohnt siegessicher erklärt. Ganz ungewohnt zu seinen sonstigen Prognosen sollte der ehemalige Waffen-SS-Mann und Ex-Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks dieses Mal recht behalten. Mit 10,9 Prozent erzielten die REPs ihr bestes Ergebnis bei Landtagswahlen seit ihrer Gründung 1983 in München. Obwohl die 1,2 Prozent in Schleswig-Holstein eine herbe Niederlage gegen die im Norden stark auftrumpfende „Deutsche Volksunion“ (DVU) bedeuten, haben die REPs auch dort ihr Ergebnis gegenüber den letzten Landtagswahlen verdoppelt.
Außerdem fließen damit nach den beiden Landtagswahlen rund vier Millionen an Wahlkampfkostenrückerstattung in die leeren Kassen der REPs. Nach der Weigerung von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, der Partei 11,6 Millionen DM Wahlkampfkostenrückerstattung aus der Bundestagswahl auszuzahlen, war die Partei auf ein gutes Ergebnis in Baden-Württemberg angewiesen. Schließlich braucht man für die von Schönhuber nach dem Wahltriumph anvisierte „Wende für ganz Deutschland“ den Abbau der organisatorischen Defizite vor allem in den norddeutschen und den fünf neuen Bundesländern.
Mit dem Ergebnis von Baden- Württemberg fühlen sich die REPs jetzt als „etablierte Partei“. Ausgestanden sind die innerparteilichen Querelen, die insbesondere nach dem Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 und den Erfolg bei den Europawahlen im Juni 1989 mit bundesweit 7,1 Prozent (in Bayern gar 14,6 %) zu einem Hauen und Stechen und darauffolgenden verheerenden Wahlniederlagen geführt hatten. Heftig von den Medien und insbesondere den Unionsparteien wegen rechtsextremer und militanter Mitglieder und Funktionäre attackiert, mühte sich Schönhuber, die Partei durch ein neues Programm und eine personelle Säuberung salon- und koalitionsfähig zu machen. Auf dem Parteitag in Rosenheim im Januar 1990 wurde zwar ein umfangreiches Programm mit intellektuellem Anstrich formuliert. An den rechtsextremen Inhalten wie zum Beispiel an der Gegnerschaft zur multikulturellen Gesellschaft, der ausländerfeindlichen Zielsetzung, am Festhalten an Großdeutschland und einer starren Law-and-Order- Linie sowie am ethnopluralistischen Konzept eines „Europa der Vaterländer“ änderte sich jedoch nichts.
Seit Juli 1990 sitzt Schönhuber nach seinem Rücktritt als Bundesvorsitzender im Mai 1990 und seinem kurzzeitigem Parteiausschluß wieder unangefochten als REP-Chef im Sattel. Ein Jahr später erhielten die REPs schließlich vom bayerischen Innenminister Stoiber den langersehnten Persilschein. Laut Stoiber ließen sich bei den REPs weder programmatisch noch in der personellen Zusammensetzung extremistische Positionen erkennen.
Für Schönhuber nach langer Abstinenz endlich wieder Grund zum Jubeln, denn der Fall der Mauer und die deutsche Vereinigung hatten die deutschen rechtsextremen Parteien kalt erwischt. Die REPs scheiterten zwar mit 4,85 Prozent bei den bayerischen Landtagswahlen im Oktober 1990 nur denkbar knapp, doch die nationale Euphorie setzte sich bei der ersten gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember 1990 und den Folgewahlen nicht in Wählerstimmen um. Die REPs blieben bei 2,1 Prozent, die NPD ging mit 0,3 Prozent völlig unter. In der Folge tobten in den einschlägigen rechtsextremen Postillen Strategiedebatten über zukünftige Bündnisse. Obwohl die internen Querelen der REPs gestoppt, der finanzielle Ruin der NPD angesichts von gesammelten 300.000 DM Spenden („Notopfer NPD“) abgewehrt und die Deutsche Volksunion (DVU) dank ihres Wahlerfolg bei den Bremer Bürgerschaftswahlen im September 1991 mit 6,2 Prozent und der Zuwächse in den neuen Bundesländern sich wieder bei 24.000 Mitgliedern (REPs: ca. 20.000, NPD: ca. 9.000) zu konsolidieren schien, mehrten sich die Stimmen für eine einheitliche Rechte.
Konkreter Ausdruck der diskutierten Vereinigungsstrategie war schließlich die am 3. Oktober letzten Jahres von Ex-REP und NPD-Funktionären gegründete „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ (DL). Die neue „rechte Sammlungsbewegung“ gab die Parole aus, in Baden-Württemberg den „Durchbruch“ zu schaffen. Mit 0,4 Prozent der Stimmen mißlang dieser Versuch gründlich. Damit manövrierten die Wähler die DL genauso wie die NPD (0,9 Prozent) ins Abseits. Der finanziell aufwendige Wahlkampf wird die mitgliederschwache DL und die finanziell schon stark angeschlagene NPD in enorme Schwierigkeiten bringen. Die Frage nach der Hegemonie im rechten Lager ist in Baden- Württemberg eindeutig zugunsten der REPs entschieden worden. Bei nahezu identischen Parolen und Forderungskatalogen der angetretenen Rechtsparteien zahlten sich für die REPs nicht nur die persönlichen Auftritte von Schönhuber, sondern auch ihre Präsenz in Baden-Württemberg aus. Seit den Kommunalwahlen im Oktober 1989 sind die REPs in nahezu allen Städten Baden-Württembergs mit Mandaten vertreten.
Einziger Konkurrent der REPs im rechtsextremen Lager bleibt nach den beiden Wahlen die DVU. Beide Parteien sind unversöhnlich miteinander zerstritten. Nach dem Erfolg in Bremen expandierte die DVU in Richtung Osten und gründete in den neuen Ländern neue Landesverbände. Sie stilisierte die Wahl in Schleswig-Holstein zur „entscheidenden Stunde unseres Vaterlandes“ hoch. Wie schon die REPs in Baden- Württemberg setzte der millionenschwere Münchner Verleger Gerhard Frey mit seiner DVU nicht nur auf das Thema Asyl. Die von allen Rechtsparteien schwerpunktmäßig angeschnittenen Themen verweisen die These führender Unions-, aber auch SPD-Politiker, wonach sich das Problem der rechtsextremen Parteien nach einer „Lösung“ der Asylfrage, von selbst erledigen und die sog. Protestwähler dann wieder ihr Kreuzchen bei CDU/CSU, FDP oder SPD machen würden, ins Reich der Fabel. Gezielt setzen die rechtsextremen Parteien neben der Asylfrage auf Fragen der Inneren Sicherheit, der Bekämpfung des Drogenproblems und der sogenannten Ausländerkriminalität, auf Abtreibung und soziale Fragen wie zum Beispiel Pflegeversicherung sowie vor allem auf den anstehenden europäische Einigungsprozeß und die Einführung einer europäischen Währung. Mit der D-Mark stehe nicht nur die Zukunft des deutschen Wohlstands, sondern auch die nationale Identität der Deutschen auf dem Spiel.
Nahezu zeitgleich starteten sowohl REPs, DVU als auch die DL ihre „Rettungsaktionen“ für die D-Mark — ein Thema, das derzeit in der CSU vom Münchener Bezirksvorsitzende und bayerischen Umweltminister Peter Gauweiler populistisch beackert wurde. REP-Bundesvorständler Alexander Hausmann begründet den Start der REP- Kampagne mit einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts, wonach dreizehn Prozent der Deutschen eine „D-Mark-Partei“ wählen würden. Die Partei der Republikaner so Hausmann, sei diese „D-Mark- Partei“. Damit glauben die REPs gut gerüstet zu sein für die Bundestags- und Europawahlen 1994. Bernd Siegler
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