: Die Partei segnete die letzte Ruhe ab
■ Zentralkomitee der SED brachte nur privilegierte »teure Tote« unter die Erde des Sozialistenfriedhofs Friedrichsfelde/ Friedhof-Lobby für Erhalt der Gedenkstätte
Friedrichsfelde. Es war zu DDR- Zeiten unbestritten ein Privileg, ein Grab auf dem Friedhof in Friedrichsfelde zu erhalten. Unbürokratisch regelte das nur das Zentalkomitee der SED. Per Anruf wurde der Friedhofsverwaltung avisiert, welcher »teure Tote« dort am Pergolenweg seine letzte Ruhestätte finden sollte.
Das Gräberfeld Pergolenweg, wo seit den 50er Jahren die zweite Garnitur der DDR-Führungsriege unter die Erde kam, wurde eingerichtet, als in der »Gedenkstätte der Sozialisten« kein Platz mehr war. Die Erinnerungsstätte für tote Revolutionäre wurde 1926 offiziell eröffnet. Von den Nazis 1935 zerstört, ließ sie die frühere DDR-Partei- und Staatsführung 1951 wieder einrichten. Rund um den Gedenkstein mit den Worten »Die Toten mahnen uns« wurden zehn Grabplatten in den Boden eingelassen, die unter anderem an Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann, Rudolf Breitscheid, Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Walter Ulbricht und Franz Mehring erinnern. Mit anderen Epitaphen wird Widerstandskämpfern der Linken und ehemaligen Mitgliedern der Partei- und Staatsführung der DDR gedacht, die an »hervorragender Stelle für den antifaschistisch-demokratischen und sozialistischen Aufbau gewirkt haben«.
Um die Zukunft des Sozialistenfriedhofs ranken sich neuerdings Gerüchte. Bleibt die Gedenkstätte unangetastet, da sie auf der Landesdenkmalliste von Berlin steht, könnten Friedhofsarbeiter mit der Einebnung der Gräber beginnen, die mit zweit- und drittrangigen DDR-Funktionären belegt sind, und wo teilweise die 20jährige Liegezeit ausläuft.
Klaus-Peter Heinecke, Leiter des Friedhofs, weiß, daß allein die Regelung, wer dort seine Grabstelle erhalten durfte, mißtrauische Gerüchte nährt. Unwahr sei, daß für Beisetzungen dort keine Totenscheine notwenig gewesen seien. Traurige Wahrheit dagegen, daß am Pergolenweg für Angehörige eines dort beigesetzten »Kämpfers für den Sozialismus« kein Platz war.
Eine Interessengemeinschaft, die sich für die Erhaltung auch der Gräber der zweiten Garnitur am Pergolenweg einsetzt, hat sich vor knapp einem Jahr gegründet, weil sich abzeichnet, daß die SED-Nachfolgepartei PDS für den Unterhalt nicht aufkommen kann, so Thomas Nord, Sprecher der Friedhof-Lobby. Mit der Einebnung der Gräber würde ein Kapitel deutscher Geschichte verschwinden, mit der man sich auseinandersetzen müsse. In der fälschlich so bezeichneten »Gedenkstätte der Sozialisten« seien nicht nur Kommunisten und Sozialisten geehrt worden. Friedhofsleiter Heinecke betont, daß sich niemand mit dem Gedanken trage, Gräber einzuebnen. Platz werde zur Zeit nicht benötigt. Zu DDR-Zeiten war das Areal rund um den Gedenkstein im Sozialistenfriedhof ausgebucht. Bleibt die Frage, wo sich Honecker und andere Mitglieder der Führungsriege zur letzten Ruhe gebettet haben wollten. Gudrun Janicke/dpa
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