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Elpro protestiert gegen Treuhand

■ Mit Treuhand/McKinsey-Connection soll Ostberliner Elektro Projekt privatisiert werden/ Reduzierung der Belegschaft von 2.150 auf 1.400 Mitarbeiter/ Betriebsrat von Informationen abgeschnitten

Marzahn. Am kommenden Dienstag will der Treuhand-Vorstand über das Schicksal der Ostberliner Elpro (Elektro Projekt AG) entscheiden. Hauptbewerber auf dem Jahrmarkt der Privatisierung sind die Ex-Manager der Beraterfirma McKinsey, Emans, Eckhardt und Schossleitner (EES). Wie der Gesamtbetriebsrat der Elpro AG in einem offenen Brief an Treuhand-Chefin Birgit Breuel mitteilte, hat die zuständige Treuhand-Abteilung U4 (federführund Treuhand-Vize Hero Brahms) mit der EES-Gruppe folgenden Privatisierungsplan vereinbart:

—Reduzierung der Belegschaft von 2.150 auf 1.400 Mitarbeiter;

—Elpro wird entschuldet, muß aber Grund und Boden (266.000 Quadratmeter) an die Treuhand abgeben;

—die Ex-McKinsey-Leute bekommen einen zweistelligen Millionenbetrag für die Übernahme der »Restbelegschaft«;

—die entkapitalisierte Elpro bleibt bis 1994 Mieterin auf dem bisherigen Gelände an der Rhinstraße;

—danach Umzug auf das dann der EES-Gruppe gehörende Gelände der TGA (Technische Gebäude Ausrüstung) nach Hohenschönhausen;

—auf dem TGA-Gelände ist die Elpro auch nur Mieterin; dort sind Investitionen in dreistelligen Millionenbeträgen nötig, um überhaupt weiterproduzieren zu können.

1990 zählte die Elpro 7.500 Beschäftigte. Dann kamen die Massenentlassungen. Über 5.000 Kolleginnen und Kollegen fielen der Marktwirtschaft zum Opfer. Jetzt soll die Belegschaft noch einmal massiv reduziert werden. Nach Aussagen von Elpro sind Arbeitnehmer und Betriebsrat systhematisch von allen Informationen abgeschnitten worden. Von ursprünglich 26 Bewerbern sind nur noch drei übriggeblieben. Die beiden weiteren »Angebote« neben der EES-Gruppe sehen eine Zerschlagung von Elpro in vier beziehungsweise sechs Gesellschaften und einen Arbeitsplatzabbau auf 1.240 beziehungsweise 1.300 Beschäftigte vor. Ursula Schäfer: »Belegschaft und Betriebsräte haben nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera.«

Die drei Privatinvestoren Emans, Eckardt und Schossleitner sind gute alte Bekannte von Wolf Klinz, Chef der für Elpro zuständigen Treuhand- Abteilung U4. Man kennt sich aus gemeinsamen McKinsey-Jahren. Auch der neue Aufsichtsratsvorsitzende bei Elpro, Rolf Liertz, ist ein alter McKinsey-Mann.

Die Treuhand-Manager scheinen auch aus dem Fall Narva ihre besonderen Lehren gezogen zu haben. Dort war es einem cleveren Betriebsrat gelungen, nicht nur alle Kaufinteressenten und ihre konkreten Angebote herauszukriegen, einen bereits unterschriebenen Verkaufsvertrag an den Immobilienspekulanten Klingbeil mit Druck der Belegschaft wieder rückgängig zu machen, Neuverhandlungen zu erzwingen und zuletzt die Sicherung aller bei Narva noch vorhandenen Arbeitsplätze auszuhandeln.

Die Zerschlagung von Elpro versuchen sie jetzt mit einer eisernen Informationssperre und der Überrumpelung der Belegschaft schnell durchzuziehen. Kein Wunder, daß die Verantwortlichen der Treuhand es wohlweislich vorgezogen hatten, auf der Elpro-Belegschaftsversammlung am vergangenen Freitag erst gar nicht zu erscheinen. Die Belegschaft forderte mehr Informationen, Offenlegung aller Angebote und für ihren Betriebsrat das Recht auf Mitverhandeln beim Vertragsabschluß. Elpro darf nicht sterben — darin waren sich alle einig. Martin Clemens

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