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Wasser auf die Mühlen des Gegners

■ Der Staatsstreich in Peru stärkt die Guerilla

Wasser auf die Mühlen des Gegners Der Staatsstreich in Peru stärkt die Guerilla

In Peru ist ein veritabler Staatsstreich über die Bühne gegangen. Die Frage, ob Fujimori die Militärs gerufen hat oder diese ihn zur verfassungswidrigen Auflösung des Parlaments und zur Aufhebung der Verfassung gedrängt haben, ist zweitrangig. Fakt ist, daß der Präsident schon bald nach seinem Amtsantritt 1990 — entgegen allen Wahlversprechen — auf die militärische Option zur Befriedung des Landes gesetzt hat. Die enge Allianz mit den Streitkräften nötigte sich ihm um so mehr auf, als seine ausschließlich für die Präsidentschaftswahl gegründete Partei nur eine kleine Fraktion im Parlament stellt. Fujimori hielt dieses allerdings ohnehin für eine überflüssige Schwatzbude. So regierte er im wesentlichen selbstherrlich per Dekret. Das Parlament hatte seine legislativen Befugnisse für den Bereich der „Befriedungspolitik“ im vergangenen Jahr ohnehin an Fujimori abgetreten, ihm allerdings in jüngster Zeit wiederholt Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Die „Befriedung“ des Landes muß in der Tat vorrangiges Anliegen jedes peruanischen Präsidenten sein. Seit zwölf Jahren herrscht vor allem im andinen Hochland Krieg. 24.000 indianische Bauern sind den Säuberungskommandos der Militärs und dem Terror des „Sendero Luminoso“ (Leuchtender Pfad) zum Opfer gefallen, einer Guerilla, deren Atavismen uns erschrecken, die aber chiliastische Mythen der andinen Völker für sich fruchtbar zu machen weiß. In den Bergen Perus haben die Militärs bereits die Kontrolle verloren. In den letzten Jahren hat der „Sendero“, die wohl stärkste und dank seiner taktischen Allianz mit der Kokainmafia reichste Guerilla des Subkontinents, aber auch in den Küstenstädten Fuß gefaßt. Im Armengürtel, der die Hauptstadt Lima umgibt, hat er inzwischen seine festen Stützpunkte. Er rekrutiert sich dort vor allem aus den „Cholos“, den sozial und kulturell entwurzelten indianischen Landflüchtlingen, die die Armut der Anden mit der Misere der Großstadt getauscht haben.

In den Bergen hat die Armee durch die Militarisierung der bäuerlichen Selbstschutzorganisationen dem „Sendero“ letztlich in die Hände gespielt. Nun droht ähnliches auch in den Städten. Vor allem in den Slums von Lima haben sich die autonomen Organisationen der Selbsthilfe, die der parlamentarischen Linke nahestehen, als effizienteste Kraft gegen den „Sendero“ und auch als dessen beliebteste Zielscheibe erwiesen. Mit dem militärischen Vorgehen in den Armenvierteln, den Razzien, den umstandslosen Verhaftungen wird die Armee auch hier Wasser auf die Mühlen des „Sendero“ leiten. Die Kräfte der zivilen Gesellschaft, die dem Vordringen der terroristischen Träumer des Absoluten noch am ehesten Einhalt gebieten könnten, werden geschwächt. Mit seinem Staatsstreich bekräftigt Präsident Fujimori letztlich eine bekannte Parole des „Sendero“: „Außer der Macht ist alles Illusion.“ Thomas Schmid

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