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Es geht was ab im Hinterhof

■ »Singles in Love«, eine Kriminalgeschichte im Kreuzberger Milieu

Aus heiterem Himmel 50.000 DM in bar auf den Tisch des Hauses gelegt zu bekommen — und das schon am frühen Morgen —, das hat man gerne. Besonders aber, wenn man die Chefin eines Kreuzberger Hinterhoftheaters mit der szeneüblichen Baisse in der Abend-Kasse ist. Die Regisseurin Beate Bauer erhielt damit zwar nur die Hälfte der benötigten Summe, aber wo andere Stroh zu Gold verspinnen, wird sich ein zu klein geratenes Häuflein bedruckten Papiers wohl auch in ein paar bewegte Szenen verzaubern lassen.

Sprach's und das Ergebnis solcher Hexenkunst hatte am 2. April Premiere im Hoftheater. Zu einer richtigen Kriminalgeschichte haben sich die bunten Zettel verwandelt, und da es auf der Bühne oftmals wie im richtigen Leben zugeht, fängt auch hier alles mit dem gewissen Tag an, da Lina Stern alias Beate Bauer der miserablen Finanzsituation ihrer Privatdetektei ins Auge sehen muß. Doch eh man sich's versieht tritt so ein Kerl im Trenchcoat und mit schwarzem Rauschebart zur Tür herein und legt — ganz originalgetreu— fünfzig Riesen auf den Schreibtisch der abgebrannten Detektivin.

Auf Order des Senats hatte seinerzeit Frau Bauer angefangen, ihre Nachbarn zu belauschen. Aus reinem Fachinteresse versteht sich, eine Art Feldstudie am Objekt. Bei der Doppelgängerin auf der Bühne ist es dann ein richtiger Schnüffelauftrag. Einen gewissen Herrn Schatz, leicht spießig angehauchter Yuppie in Schlips und Anzug und zufällig im gleichen Haus lebend, gilt es zu observieren. Für soviel Mäuse auf die Kralle ein verdächtig simpler Auftrag.

Das dicke Ende läßt nicht lange auf sich warten: ein wahres Karussell wechselseitiger Lauschattacken und Verfolgungsjagden hebt an, natürlich haben BND und Stasi ihre Finger im Spiel, und irgendwo scheint es ein Nest mit schwarzgelockten Weihnachtsmännern zu geben. Potenziert wird die ganze Verwirrung mit Hilfe einer Reihe nachbarschaftlicher Liebesbeziehungen — immerhin heißt das Stück Singles in Love.

Die parodistische Kriminalgeschichte im Kreuzberger Milieu hat Bezug zum aktuellen Zeitgeschehen: der Anlaß all dieser Aufregung ist eine Stasi-Akte, deren Enthüllungen für Regierungskreise Ost und West gleichermaßen denunzierend sind und daher auf keinen Fall ans Licht der Öffentlichkeit geraten dürfen. Mehr kann hier leider nicht verraten werden. Schließlich wird der beste Krimi dröge, wenn man weiß, wer der Mörder ist.

Da stehen Charaktere auf der Bühne, die man kennt — beispielsweise der schnüffelfreudige Hauswart, eine Rolle, die Gregor Michaels auf den Leib geschrieben scheint. Mit seinem verschmitzten Blick von der Seite und den unprätentiösen Bewegungen hat er den Charme eines Laienschauspielers, der recht gekonnt sich selbst spielt. Auch die männerfressende Angie mit der Kreuzberger Kodderschnauze und der Szenekneipenwirt Stevie, den gelegentlich der No-future-Blues befällt, sind nicht ohne Wiedererkennungseffekt.

Die Hauptdarstellerin Lena Lessing (Lina Stern) hat mit ihrem Balanceakt zwischen abgebrühter Detektivin und haltsuchendem Single die Sympathie auf ihrer Seite. In der Rolle von Tine dann, eine Ökotrine aus der Provinz mit akutem Beziehungsstreß, wird die Koketterie mit abgenutzten Klischees gefährlich. Das hat man schon hundertmal und zum Teil besser parodiert gesehen. Die Gratwanderung zwischen gekonnter Überspitzung und Abklatsch gerät der Inszenierung noch öfter zum Fallstrick. Auch die Kampfszene im Innenhof — erfahrene Straßenkämpferin schlägt irrtümlich Hauswart knock-out — sie wirkt aufgesetzt.

Die Zeiten, da allein die Thematisierung eines zwischenmenschlichen Problems auf der Bühne Stürme der Begeisterung beim Publikum auslöste, gehören der Vergangenheit an. Bei Singles in Love dominieren Alltagsquerelen das Geschehen vor dem kriminellen Hintergrund, und manchmal lassen sie die bühnenreife Originalität vermissen. Die Ausflüge ins Slapstickgenre wirken etwas unausgegoren, das Stück hängt irgendwo zwischen Krimi und Komödie: fürs erste fehlt's an der Spannung, fürs zweite an wirklich guten Gags.

Angenehm ist der Humor, mit dem hier Feminismus praktiziert und parodiert wird. Nicht nur, daß der weibliche Star in einer männerdominierten Branche tätig ist, Angie souverän die Jungs abschleppt und die geheimnisumwitterte Person aus der Stasi-Akte eine — ebenfalls karrieresüchtige — Frau ist. Gelegentlich genehmigen sich die Schauspielerinnen ein gepfeffertes Eigentor in unbeschreiblich weibliche Domänen und laden mit Ohnmachtsanfällen und hysterischen Verdächtigungen zum Lachen über sich selbst ein. Jantje Hannover

Noch bis zum 17.5., jeweils Donnerstag bis Sonntag um 20.00 Uhr, im Hoftheater, Muskauer Straße 43, Kreuzberg

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