Stuttgarts CDU liebäugelt mit grün

Entgegen dem verbreiteten Medienecho wird in der CDU Baden-Württembergs ein Bündnis mit den Grünen ernsthaft ins Auge gefaßt/ Austausch schwacher Minister kommt CDUler entgegen  ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier

Da kann aus den Gremien der baden- württembergischen CDU verlauten was will, da kann deren Fraktionsvorsitzender Günther Oettinger unisono mit Sprechern des Ministerpräsidenten Erwin Teufel noch so inständig betonen, daß ihre Option für eine künftige Regierungskoalition mit den Grünen ebenso offen sei wie für die SPD, man glaubt ihnen nicht. Die baden-württembergischen Medienvertreter wollen eine große Koalition, scheint es, und wenn nötig eine herbeigeschriebene.

Mit den Diskussionen, die sich hinter verschlossenen Türen bei der christdemokratischen Landtagsfraktion oder gar im trauten Kreis um Ministerpräsident Erwin Teufel abspielt, hat das wenig zu tun. Die Forderung der Grünen für anstehende Sondierungs- oder gar Koalitionsgespräche nach einer „Reformierung der CDU an Haupt und Gliedern“, einer „Erneuerung der politischen Kultur“, einem „Umdenken in ökologischen Fragen“ und einer „Verabschiedung der alten Kamarilla“, haben dort alles andere als Entsetzen ausgelöst. Im Gegenteil, man hält sie durchaus für verhandlungsfähig.

Ideologiefrei und undogmatisch wolle man in den kommenden Wochen die bestmögliche Zusammenarbeit für die nächsten vier Jahre prüfen, und lasse sich dabei vom Sprengstoff bundespolitischer Themen in der Landespolitik auch nicht einschränken, so Oettinger gestern bei einer Pressekonferenz.

Droben in Teufels Regierungssitz, Villa Reitzenstein, denkt man um den Staatsrat ohne Portefeuille, Gerhard Goll, längst konkreter.

Teufels Berater weiß von seinem Ministerpräsidenten, wie gerne auch der die „Kamarilla“ in seinem Kabinett, bestehend aus Finanzminister Mayer-Vorfelder, Innenminister Dietmar Schlee und Wirtschaftsminister Schaufler loswerden würde. Und auch in Sachfragen sieht man dort keine Berührungsängste. Das christdemokratische Subsidaritätsprinzip etwa, also die Unterstützung von Selbsthilfeprojekten gegenüber staatlicher Allgegenwärtigkeit, sei doch zusammen mit den Grünen weit besser zu realisieren als mit der SPD, heißt es da. Und in konkreten Fragen der Verkehrs- und Umweltpolitik bis hin zum Verzicht auf den maroden Atomreaktor in Obrigheim könne man sich durchaus verständigen.

Heiße Kartoffeln schließlich, wie die Asylpolitik oder den Abtreibungsparagraphen 218 könne man vorläufig ja getrost der zuständigen Bundes- und Europapolitik überlassen. Die Distanz in diesen Fragen, sei außerdem zwischen der CDU und der SPD bisher ebenso groß wie zu den Grünen und werde durch „die moralinsaure Haltung der SPD“ zusätzlich erschwert.

Alle, die in den kommenden Wochen an Koalitionsgesprächen beteiligt sind, „werden Schwierigkeiten haben, ihren Parteien den kommenden Weg verständlich zu machen“, meint dazu der CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger, man werde eben Zeit brauchen, „den Weg von unten nach oben und umgekehrt zu besprechen“.

Die Umwelt- und Verkehrsexperten der CDU jedenfalls sind bereits beauftragt, in den kommenden Tagen verhandlungsfähige Positionspapiere auszuarbeiten, die den baden-württembergischen Grünen unterbreitet werden sollen. Wir wollen, heißt es im Staatsministerium und aus der CDU-Fraktion, mit der Feststellung dessen beginnen, was geht, um dann zu sehen, was an Knackpunkten letztlich noch übrigbleibt.

In einer Umfrage ermittelte der Süddeutsche Rundfunk ein erstaunliches Votum für ein Bündnis von CDU und Grünen. Immerhin dreiundvierzig Prozent sprachen sich für die schwarz-grüne Koalition aus. In der CDU rechnet man mit langwierigen Verhandlungen und einer Regierungsbildung Anfang Juni. Vor der CDU liege ein „dornenreicher“ Weg, hieß es gestern.