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Nachhaltig wirkende Fragezeichen

■ »Korrespondenzen« — Zwölf Künstler aus Florenz und Berlin in der Berlinischen Galerie im Martin-Gropius-Bau

Als kommunale Einrichtung hat die Berlinische Galerie im Martin-Gropius-Bau den Auftrag, die hiesige Kunstszene zu beobachten, durch Ankäufe zu unterstützen und einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. In dieser Funktion konzentrierte man sich so lange auf Klassiker und die Kaste der Kunstprofessoren, bis von seiten des Publikums nur noch laute Schnarchgeräusche zu vernehmen waren. Zunehmend jedoch gerät auch die nachdrängende Generation in das Blickfeld der »Berlinischen«. Die Ausstellungsreihe Korrespondenzen ist als eine Art internationaler Austausch gedacht, der sechs Berliner Künstlerinnen — gemeinsam mit Kolleginnen aus anderen europäischen Metropolen — in Berlin und der jeweiligen Partnerstadt präsentiert. Nach Stockholm und Lyon ist jetzt Florenz an der Reihe.

Im ersten Stock des Martin-Gropius-Baus sind Arbeiten folgender Künstler zu sehen: Marco Bagnoli, Antonio Catelani, Danila DeLorenzo, Carlo Guaita, Maurizio Nannucci und Alfredo Pirri. Berlin wird diesmal vertreten von Thomas Eller, (e.) Twin Gabriel, Ulrike Grossarth, Yvonne Joki, Raffael Rheinsberg sowie Andrea Sunder-Plassmann. Bis auf die bereits international renommierten Bagnoli, Nannucci und Rheinsberg handelt es sich dabei um noch relativ unbekannte KünstlerInnen zwischen Ende Zwanzig und Ende Dreißig.

Alle beschäftigen sich — laut Katalog — mit »Installationen«. Schon im Treppenhaus empfängt einen die Arbeit Lektionen 491 von Ulrike Grossarth, eine Serie manipulierter Illustrationen aus einer im Jahr 1760 erschienenen Abhandlung über die hohe Schule des Reitens. Die Künstlerin fotokopierte die alten Stiche und retuschierte Reiter samt Pferd aus den einzelnen Bildern heraus. Übrig bleiben seltsam leer-bewegte Architekturausschnitte und der Absurdität ausgelieferte Dressuranweisungen.

Im ersten Raum treffen dann Nannucci und Rheinsberg aufeinander. Beide arbeiten seit langem mit Gestaltungselementen, die aus der alltäglichen Signal- und Werbewelt stammen. Von Nannucci stammen zwei übereinanderliegende bunte Neonbuchstaben. Rheinsberg begab sich ein weiteres Mal auf die Suche nach Relikten der aus Not, Improvisation und Zwanglosigkeit entstandenen und nun untergehenden DDR- Ästhetik. Er stellt rote, teilweise abenteuerlich zusammengeschusterte Hydrantenabdeckungen in Reih und Glied auf und gibt sie so — einfach und kommentarlos — den Assoziationen der Besucher preis. Ein Blick auf Rheinsbergs übriges Werk zeigt, daß diese Art der Reihung immer noch eine bewährte Methode ist. Doch je mehr er sich inhaltlich festlegt, desto oberflächlicher werden seine Aussagen.

Eine ebenso durchdachte wie optisch ansprechende Mischung aus Skulptur und Bild steuert Thomas Eller im nächsten Raum bei. Seine Bezugspunkte sind: die heute zwangsläufig unvollständige Sicht auf die Natur, das Individuum, der Künstler als Provokateur, der Egomane und der dem Publikum ausgelieferte Produzent. Seine ins Monumentale vergrößerten und auf Aluminium aufgezogenen Farbfotografien von Wiesenblumen — vor denen ein gleichermaßen behandeltes kleines Selbstporträt Ellers steht — verweisen auf die »Diskontinuität in der Gleichzeitigkeit« und produzieren in dieser Präsentation ihren eigenen ästhetischen Reiz.

Daneben konfrontiert Yvonne Jokl die Betrachter mit einem großen, unbequemen und nachhaltig wirkenden Fragezeichen. Ein für Außenstehende eher uninteressantes Selbstgespräch führt Carlo Guita. Er stellt sich mittels Fensterrahmen mit aufgedruckten Titeln von Naturkundebüchern des 18. Jahrhunderts die Frage, ob ein Kunstwerk mehr darstellen könne als sich selbst — um mit einem entschiedenen Jein zu antworten.

(e.) Twin Gabriel dagegen spielt bemerkenswert selbstsicher auf der Klaviatur der »Do-it-yourself-Symbole«. Im Martin-Gropis-Bau hat sie kugelrunde Lampen in hängende Augen verwandelt, deren »Pupillen« aus kryptischen, aber mit Neugier und Geduld entschlüsselbaren Bilderrätseln bestehen. Das Menschsein, die Welt der Lebewesen, Evolution — immer wieder reißt Gabriel wirkungsvoll große Themen an. Um den Menschen dreht sich auch der eigens für Berlin gestaltete Raum Bagnolis. Er zeigt vier Teile der Arbeit la voce: eine Himmelsleiter, eine wandfüllende Zeichnung, ein Objekt mit anthropomorpher Skulptur und zu guter Letzt klein gefaltete Zeitungsausschnitte. Rein sinnlich wahrnehmbare, nichtdestotrotz künstlerische Probleme beschäftigen Daniela DeLorenzo. Die Florentinerin inszeniert in ihren streng architektonisch aufgebauten Holzgerüsten das paradoxe Verhältnis von Körperlichkeit und Immaterialität dreidimensionaler geometrischer Formen.

Insgesamt gesehen repräsentiert die Schau also weniger Austausch, sondern vielmehr ein Nebeneinander verschiedener Ansätze. Ob darin — wie die Mitarbeiterin der Berlinischen Galerie, Ursula Prinz, es formulierte — die Unterschiede zweier Nationen deutlich werden, darf bezweifelt werden. Sympathischer erscheint die Position Giorgio Maraglianos, der für die Auswahl der KünstlerInnen auf italienischer Seite zuständig war und nun hofft, Korrespondenzen möge jenseits von festgelegten Identitäten die Eigenart des »Ortes für Zufälle« beider beteiligten Städte zum Vorschein bringen.

Ärgerlich ist, daß man die Ausstellung nur nach Erwerb einer Eintrittskarte für das Megaunternehmen Jüdische Lebenswelten (acht Mark — »die Karte gilt für das ganze Haus«) besichtigen kann. Ulrich Clewing

Berlinische Galerie im Martin- Gropius-Bau, bis zum 26. April, täglich 10 bis 22 Uhr.

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