piwik no script img

Bundesbank kritisiert Subventionitis

■ Der Staat, selbst hochverschuldet, zahlt nach Meinung der Notenbanker zu hohe Zuschüsse an investitionswillige Unternehmen/ Hochzinspolitik wird so von der Bundesregierung unterlaufen

Frankfurt/Main (dpa/taz) — Die Deutsche Bundesbank hat die staatliche Subventionspolitik kritisiert. Zuschüsse, Steuererleichterungen und Zinssubventionen würden Kredite künstlich verbilligen und somit die Hochzinspolitik der Bundesbank großenteils wirkungslos machen. Mit den hohen Zinsen versuchen die Währungshüter, die Menge des in Umlauf befindlichen Geldes im Verhältnis zum Wert der produzierten Waren und Dienstleistungen zu halten, um so der Inflation entgegenzuwirken (siehe taz gestern S. 3).

Seit Monaten wächst die Geldmenge M3 (dazu zählen Bargeldumlauf, Sichteinlagen, Termingelder bis vier Jahre und Sparguthaben) über die von der Bundesbank gesetzte Zielgröße von 3,5 bis 5,5 Prozent hinaus. Im Januar und Februar betrugen die Zuwachsraten 9,0 und 8,5 Prozent. Ursache ist zum großen Teil die private Kreditnachfrage. Die Bankkredite an Unternehmen und Privatpersonen stiegen 1991 um 260 Milliarden DM oder 11,5 Prozent. Die Verschuldung der Unternehmen nahm um 15 Prozent zu, die der Konsumenten um 13 Prozent. Die rasante Vermehrung der Verbraucherkredite führt die Bundesbank darauf zurück, daß „die Haushalte ihre Konsumwünsche offensichtlich nicht unmittelbar an langsamer steigende Realeinkommen anpaßten“.

Auch Bund, Länder und Gemeinden müßten wieder „wieder mit aller Entschiedenheit die Haushaltskonsolidierung ansteuern“, forderte die Bundesbank. Bereits in diesem Jahr muß der Bund mehr für den Schuldendienst (55 Mrd. DM) zahlen als er für die Verteidigung (52 Mrd. DM) ausgibt. Gegenüber dem lockeren Umgang der Bundesregierung scheinen die Volkswirte der Notenbank inzwischen zu resignieren. Das gesamte Staatsdefizit 1992 werde sich wahrscheinlich nochmals ausweiten, befürchten sie. Ein Grund dafür seien die Finanzen der Sozialversicherungskassen. Nach einem Überschuß 1991 von 13 Milliarden DM dürften diese 1992 ein Loch von 15 Milliarden DM aufweisen. Entscheidend sei dafür die Übertragung des westdeutschen Rentenrechts auf Ostdeutschland zum Anfang dieses Jahres. „Zunehmende Belastungen von Seiten Ostdeutschlands entstehen auch für die Bundesanstalt für Arbeit.“ Das Defizit der Rentenversicherung könne zwar zunächst noch aus den Rücklagen finanziert werden, „voraussichtlich spätestens 1994 muß dann jedoch der Beitragssatz heraufgesetzt werden.“ Ähnliches gelte auch in der Krankenversicherung. Insgesamt beziffert die Bundesbank die Verschuldung der öffentlichen Haushalte zum Jahresende 1991 auf 1,32 (1990: 1,18) Billionen DM. Dies entspricht fast der Hälfte des gesamten 91er Bruttosozialprodukts der Bundesrepublik von 2,8 Billionen DM. Zur Rekordverschuldung tragen neben den Verbindlichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden von 1,17 (1,05) Billionen DM die Schattenhaushalte bei: Die Treuhandanstalt mit 25 (4,4) Milliarden DM zum Jahresende, Bundesbahn/Reichsbahn mit 43 (48,4) Milliarden DM und die Post mit 81,5 (71) Milliarden DM.

Rekordgewinn

An Zinsen hat die Deutsche Bundesbank 1991 25,1 Milliarden DM kassiert. Insgesamt verfügte die Bundesbank zum Jahresende über Guthaben bei ausländischen Banken sowie Geldmarktanlagen im Ausland in Höhe von 55,4 (64,5) Milliarden DM. Aus dem enormen Zinsgewinn der Notenbank verblieb nach Abzug aller Aufwandspositionen ein Rekordgewinn von 15,2 (9,1) Milliarden DM. Wie bereits berichtet, wird daraus eine Ausschüttung an den Bundesfinanzminister von 14,5 (8,3) Milliarden DM überwiesen. Die Rücklage der Bundesbank hat mit 9,1 Milliarden DM die gesetzliche Höchstgrenze von fünf Prozent des Banknotenumlaufs erreicht, der sich zum Jahreswechsel auf 181,3 Milliarden DM belief. dri

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen