I N T E R V I E W
: Aus Scheiße wird Dünger

■ In Bremer Forschungsprojekt verwandeln Mikroorganismen unter Sägemehl Gülle in Kompost

taz: Seit Frühjahr 1991 testet Bremen ein neues Verfahren, um ohne großen Aufwand aus Gülle Kompost zu machen. Wie funktioniert dieses Verfahren?

Bruno Oebels, Gülleexperte im Amt für Abfallwirtschaft beim Bremer Umweltsenator: Wir vermischen die Gülle in einem ganz bestimmten Verhältnis mit Stroh und Sägemehl und schichten dieses trockene Gemisch dann zu einer Miete auf, die mit einer 30 Zentimeter starken Sägemehlschicht umhüllt wird.

Mit dieser Sägemehlschicht wird zum einen das Entweichen von Ammoniak verhindert, zum andern für eine gleichmäßige Temperatur von ca. 50 bis 60 Grad in der gesamten Miete gesorgt.

Wie funktioniert dieses Verfahren?

Die Kompostierung geht ganz „normal“ vor sich. Die Mikroorganismen, die in der Gülle vorhanden sind, verrichten unter den Bedingungen, die wir ihnen geschaffen haben (Feuchtigkeit, Temperatur usw.), den Ab- und Umbau der in der Gülle enthaltenen Stoffe.

Und mit welchen Ergebnissen?

Im Gegensatz zum klassischen Misthaufen, bei dem ein Großteil des Stickstoffs in Form von Ammoniak in die Atmosphäre entweicht, werden hier über 90 Prozent davon im Kompostsystem zurückgehalten. Die Folge ist dann natürlich auch ein entsprechend nährstoffreicher Kompost. Und da dieser Kompost besonders viele Zellulose- und Lignien (Holz)-Bestandteile enthält, wirken die im fertigen Kompost wie Torf und haben damit eine besonders hohe Wasseraufnahmefähigkeit.

Was sind die Vorteile von diesem Kompost?

Der ganz große Vorteil: Wir haben die Nährstoffe zurückgehalten. Die kann der Landwirt dann bei Anwendung des Kompostes nach Bedarf wieder voll einsetzen. Die Gülle ist zu einem milden, für Bodenlebewesen ungefährlichen Stoff geworden.

Das zeigt uns die Vorliebe von Regenwürmern für diesen Kompost, die dort drin zu hunderten und tausenden vorkommen, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt. Das ist ein Hinweis darauf, daß dies eine besonders milde Form des Düngens ist. Denn bei jeder Mineraldüngergabe würden die sich, wie bei reiner Gülle, sofort verziehen.

Stinkt dieses Verfahren?

Nein. In dem Augenblick, in dem die Mischung beginnt, in dem Sägemehl in einem speziell dafür eingerichteten Mischer zugerührt wird, ist das Verfahren praktisch geruchlos.

Der Kompostiervorgang erfolgt völlig ohne Geruchsemissionen. Der fertige Kompost ist auch geruchsfrei und riecht allenfalls nach Waldboden.

Weshalb ist Bremens Engagement in diesem Projekt so wichtig?

Wir haben dieses Projekt begonnen, um die Güllemenge, die in der Wümmeniedrung, in dem Naturschutzgebiet Borgfelder Wümmewiesen, nicht mehr aufgebracht werden darf, gegebenenfalls auf diese Weise zu behandeln — damit sie einer sinnvollen Anwendung, unter Umständen vielleicht auch wieder im Naturschutzgebiet, eingesetzt werden kann. Der fertige Kompost ist streufähig.

„Damit kiloschwere Fladen keine kleinen Nester mehr zerschmettern...“

Das ist eine feine, rieselfähige Masse. Wenn man die im Naturschutzgebiet austragen würde, bestünde nicht das Problem, daß zum Beispiel Bodenbrüter von irgendwelchen großen Fladen erschlagen werden. Das beobachtet man tatsächlich bei der Ausbringung von Festmist, daß da kiloschwere Fladen die Nester zerschmettert haben.

Wie reagieren die beteiligten Landwirte auf die Ergebnisse?

Abwartend. Die erwarten natürlich zuerst einmal Langzeituntersuchungen, wie dieser fertige Kompost auf den Boden wirkt. Wir sind deshalb dabei, zwei- bis dreijährige Untersuchungen zu fahren, die zum Beispiel zeigen sollen, ob der Boden in negativer Weise verändert wird.

Das Ganze wird also wissenschaftlich begleitet?

Ja, das Projekt wird auch weiter vom Bodenökologischen Institut wissenschaftlich begleitet.

Wie soll es weitergehen?

Bremen hat ja kein eigentliches Gülleproblem, außer diesem hausgemachten — Schlagwort „Naturschutzgebiet Borgfelder Wümmewiesen.“ In Niedersachsen sind natürlich die Probleme wesentlich größer. Schon weil Niedersachsen als klassisches Agrarland wesentlich mehr Betriebe hat und natürlich auch die typischen, in Verruf geratenen Betriebe in Cloppenburg, Vechta usw., die letztlich ja die Verursacher der zum Himmel stinkenden Schweinereien dort sind.

Wir werden als nächstes versuchen, im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung mit Niedersachsen eine Studie finanzieren zu lassen. Die soll die Anwendung dieses Verfahrens untersuchen und inwieweit Höfe in Niedersachsen dieses Verfahren sinnvoll anwenden können.

Das hängt ab von der Güllemenge, von der zur Verfügung stehenden Fläche usw. Ziel ist, eine Empfehlung für die Landwirte geben zu können, in einer bestimmten Hofgröße, z.B. bis 1.000 Kubikmeter Gülle im Jahr, lieber dieses Verfahren anzuwenden, als die Gülle weiter auf zu knappen Flächen auszubringen. Wir hoffen, daß wir durch die Studie auch ganz konkrete Zahlen bekommen, wieviel Tonnen Stickstoff in Form von Ammoniak wir durch dieses Kompostierungsverfahren nicht in die Atmosphäre entlassen.

Welche Investitionen sind für die Landwirte dazu nötig?

Der große Vorteil des Verfahrens ist ja, daß es fast ausschließlich mit auf dem Hof vorhandenen Geräten durchgeführt werden kann: das übliche Güllefaß, Pumpen, um die Gülle in einen bestimmten Mischer hineinzubringen.

Dann ein Frontlader, mit dem die fertige Mischung aufgestapelt wird, und für den Fertigkompost nachher einen Miststreuer, um das Kompostmaterial wieder auf die Flächen auszubringen.Das Herzstück dieser Anlage ist ein Futtermittelmischer, der in vielen Betrieben schon existiert, mit dem Gülle, Stroh und Sägemehl intensiv miteinander gemischt werden.

Das ist der einzige Knackpunkt des Verfahrens, wo durchaus für den einzelnen Hof ein Investitionsbedarf von ca. 80 bis 100.000 DM entstehen kann. Aber da gibt es ja auch noch die Möglichkeit von Kooperativen oder Maschinenringen.

Haben andere Länder, etwa die Niederlande, Interesse an dem Verfahren angemeldet?

Die Ergebnisse des ersten Zwischenberichtes haben reißenden Absatz gefunden, besonders in den neuen Bundesländern — bei denen wegen der riesigen Kombinate das Gülleproblem wesentlich ärger ist als bei uns.

Aber auch alle anderen Ministerien haben Interesse bekundet. Aber man wird wohl noch ein, zwei Jahre warten müssen, bis eine nennenswerte Zahl von Betrieben das Verfahren anwendet.

Wieviel hat das Land Bremen bisher investiert?

Rund 200.000 Mark, besonders für die wissenschaftliche Begleitung. Wir hoffen, daß es bald Früchte zeigt.

Fragen: ra

Kontaktadresse: Bruno Oebels, c/o Senator für Umweltschutz, Am Wall 177, 2800 Bremen. Tel. 0421/361-4829