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Mit Udo Lindenberg gegen die PdN

■ Die heiße Phase des Kommunalwahlkampfs beginnt/ Ab Dienstag verkleistern CDU, SPD und PDS die Stadt/ Bonner Promis leisten Wahlhilfe/ Hauptgegner ist die Partei der Nichtwähler (PdN)

Berlin. »Alle gucken nach Berlin«, weiß SPD-Wahlkampfleiter Thomas Härtel. Durch den Rechtsrutsch bei den Landtagswahlen in Schleswig- Holstein und Baden-Württemberg hätten die Berliner Bezirkswahlen am 24. Mai »bundespolitische Bedeutung gewonnen«. Die Schwierigkeit der Parteien besteht darin, diese Bedeutung auch den Wählern klarzumachen und sie zum Urnengang zu motivieren. Er habe »gewisse Ängste«, bekannte Härtel gestern. »Unser Hauptgegner«, so SPD-Mitarbeiter Reiner Ploch, »ist die Partei der Nichtwähler, die PdN«.

Seit Montag sitzen über 300 eigens geschulte SPD-Mitglieder an 50 Telefonen, rufen die Wähler an und versuchen ihnen klarzumachen, daß eine hohe Wahlbeteiligung nötig ist, um die Rechtsradikalen in Schranken zu halten. Bei 4.000 Bürgern hat es schon geklingelt, insgesamt wollen die Sozialdemokraten 60.000 Bürger belästigen. Als Trost verteilen die Sozis Zuckerle: Zwecks »Sympathiewerbung« setzen sie am Wochenende 60.000 Ostereier ein. An Orten wie dem Buga-Park in Britz soll die Schokolade versteckt werden. Wer die Nougateier entdeckt, findet auch ein Los. Wer Glück hat, gewinnt ein Abendessen mit Walter Momper oder eine Reise ins französische Straßburg.

Die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt gleich nach Ostern. Ab Dienstag lassen CDU, SPD und PDS ihre Plakate kleben, die FDP folgt Anfang Mai. Wenig überraschend sind die Themen der Wahlkampfposter. Die Sozialdemokraten setzen auf Motive zu den Themen Verkehr, Arbeitsplätze und Mieten. Dies seien auch in den Augen der Bürger die wichtigsten Fragen, glaubt Härtel. »Kein Platz für Miethaie«, verkündet eins der bunten Poster. Es zeigt einige der Meerestiere neben einer Schlange von Wohnungssuchenden.

Die CDU verzichtet auf Tierbilder, nicht aber auf Nadelstiche gegen den Koalitionspartner, die sich speziell gegen SPD-Bausenator Wolfgang Nagel richten. »Das trifft den Nagel auf den Kopf: Endlich mehr Wohnungen bauen«, verlangen die Christdemokraten, die per Plakat auch gegen »alte Seilschaften« und »rot-grüne Bremser« in den Bezirksrathäusern, gegen Hütchenspieler und Drogenhändler mobil machen wollen. »Unser Hauptthema wird die innere Sicherheit«, sagt der CDU- Wahlkampfbeauftragte Mario Gallon.

Die AL ist bereits vorgeprescht. Sie klebt schon seit vergangenem Dienstag: poppig-bunte Plakate mit Comic-Motiven zu den Themen Mieten, Verkehr, Ausländer, Soziales und Frauen. Welche Hoffnung die Partei mit den Kommunalwahlen verbindet, läßt sich ebenfalls von den Plakaten ablesen: »Der Aufstand der Bezirke — gegen die Nieten der Großen Koalition«, heißt es dort.

Aber auch bei den Grünen wird dieser Aufstand zentral gesteuert und von der Parteizentrale mit 110.000 Mark finanziert. Die Schwesterorganisation, das Bündnis 90, die im Ostteil eigene Plakate verbreitet, verfügt über einen Etat in ähnlicher Höhe. Auch die PDS gibt zentral etwa 100.000 Mark aus. Die Wahlkampfkasse der SPD ist mit einer stattlichen Million, die der CDU mit über 500.000 Mark gefüllt. Nur die FDP mochte gestern über die Höhe ihres Wählerwerbungsetats nichts verraten.

Große Sprünge kann sich keine der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien leisten, denn zu den Kommunalwahlen gibt es keine Kostenerstattung durch den Staat. CDU und SPD hatten sich deshalb vorab verständigt, auf teure TV-Spots und Großplakate zu verzichten. Wie auch die Liberalen, wollen die Christdemokraten ab Anfang Mai jedoch Hörfunkspots schalten, vor allem bei dem ihnen nahestehenden Sender »Hundert, 6«.

Weil der Urnengang nach den jüngsten Landtagswahlen auch eine Testwahl für die Bonner Parteien ist, schicken alle Parteien ihre Bundesprominenz ins Feld. Am 13. Mai spricht Oskar Lafontaine auf einer Veranstaltung in der »Neuen Welt« — das Publikum soll mit »Rock gegen Rechts« angelockt werden. Am 18. Mai folgt eine Kundgebung mit Björn Engholm auf dem Alexanderplatz. Weil vom 18. bis zum 22. Mai der Bundestag in Berlin tagt, müssen die Berliner damit rechnen, daß mitten im Einkaufstrubel Männer wie Wolfgang Schäuble, Theo Waigel und Volker Rühe unverhofft vor ihnen auftauchen und darum werben, das Kreuzchen bei der CDU zu machen. Die FDP wird am 19. Mai »höchstwahrscheinlich«, so Mitarbeiterin Sylvia Piechotta, Hans- Dietrich Genscher zu einer zentralen Großveranstaltung aufbieten. Schon am 4. Mai werden Graf Lambsdorff, die Minister Jürgen Möllemann, Klaus Kinkel und Irmgard Schwaetzer die Berliner Freidemokraten im Wahlkampf unterstützen. Natürlich kommt die PDS nicht ohne Gregor Gysi aus. Die Grünen dagegen müssen auf Promis verzichten. Joschka Fischer wurde zwar, so AL-Assistent Schellberg, »angefragt«. Die Chancen, daß er komme, seien jedoch gering. Kein Trost: Die SPD hat Udo Lindenberg engagiert — für einen »Sonderzug nach Pankow«, der am 9. Mai einmal rund um Berlin kreisen soll. Hans-Martin Tillack

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