: Was wird aus der DEFA?
Die Treuhand will jetzt über die Zukunft der traditionsreichen Filmstudios entscheiden ■ Von Sabine Jaspers
Wer in diesen Tagen zum Thema DEFA recherchiert, macht überall die gleiche Erfahrung: Auch als mitteilsam bekannte Gesprächspartner üben sich in vornehmer Zurückhaltung. Selbst die Informanten vom Dienst, die Pressestellen, liefern im DEFA-Fall nur ungern Zitate an die Medien. Der Grund für das allgemeine Schweigen: bis Ende April will die Treuhand über das Schicksal der traditionsreichen Filmstudios in Babelsberg entscheiden. Der Verkauf der DEFA wird somit nach fast zwei Jahren der Ungewißheit konkret. Die Angebote sind eingeholt, jetzt laufen die Verhandlungen mit den Bewerbern.
Zum Verkauf steht ein Gelände, das sich schon in den Kindertagen des Kinos einen Namen machte. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die DEFA aus der legendären Universum-Filmgesellschaft (Ufa) hervor. Was zählte schon Hollywood, als hier Fritz Lang im Jahr 1912 seinen Totentanz mit Asta Nielsen in Szene setzte? Namen wie Ernst Lubitsch, Marlene Dietrich oder Lilian Harvey bereichern den Ufa-Mythos, der sich um Babelsberg rankt. Aus der DEFA-Filmfabrik wiederum stammen Werke von Konrad Wolf oder Frank Beyers Spur der Steine. Dennoch ziert nicht nur Ruhm die Geschichte der Studios: Zensur und Propaganda herrschten nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Von Ausnahmen abgesehen — der Name DEFA bürgte auch zu DDR-Zeiten nicht unbedingt für Qualität. Vieles durfte nicht gedreht werden oder landete nach der Fertigstellung im Regal statt im Kino.
430.000 Quadratmeter Grund und Boden
Seit der Wende ist von dem einst hochsubventionierten DDR-Betrieb mit bis zu 2.300 Mitarbeitern nur ein Bruchteil übriggeblieben. Ein Drittel der Belegschaft fristet in den technisch völlig veralteten zehn Atelierhallen, den 31 Schneideräumen, den vier Synchron- und zwei Mischateliers, dem hauseigenen Kopierwerk und dem Musikatelier ein trostloses Dasein. Filme werden hier kaum noch gemacht: von einer Auslastung der Studiohallen, unter denen mit etwa 2.000 Quadratmetern eine der größten in Deutschland ist, kann keine Rede sein. Dafür machen ABM-Kräfte mit Touristen eine Studiotour, und der Ostdeutsche Rundfunk (ORB) ist in einige Baracken eingezogen. Auch Sat.1 und das ZDF sind dort vertreten.
Das Gelände hat einen Schätzwert von bis zu 500 Millionen Mark, wenn man es in Einzelstücken als reine Immobilie verhökern würde. Immerhin stehen 430.000 Quadratmeter Grund und Boden in bester Berliner Stadtrandlage zum Verkauf. Weniger als die Hälfte dieses Preises werden wohl die Investoren zahlen müssen, die jetzt um die Gunst der Treuhand buhlen. Die Entwicklung eines europäischen Film- und Medienzentrums in Babelsberg ist das erklärte Ziel, für das man in Übereinstimmung mit den Bundesländern Berlin und Brandenburg die Grundsteine legen will. Dem Vernehmen nach würde man sich über einen „Ankerinvestor“, das heißt einen großen Investor auf dem gesamten Territorium, der die Kleineren unter seine Fittiche nimmt, freuen. Auch scheint man sich allerorten darin einig zu sein, daß die Studios erhalten und ein Hotel, Restaurants, Filmhochschule, Fernsehsender und mittelständische Medienwirtschaft in Babelsberg eine Heimat finden sollen.
Kapitalkräftige Konzernriesen
Von den ursprünglich etwa 300 Investoren sind in diesen Tagen nur noch wenige im Gespräch, die ernsthaft in Frage kommmen. Es war zu hören, daß zu viele Teilangebote es nur auf die Schokoladenseiten des DEFA- Pakets abgesehen hätten. Als einer der aussichtsreichsten Kandidaten gilt jetzt der französische Dienstleistungskonzern „Compagnie Générale des Eaux“ (CGE), der sowohl in der Energie- und Bauwirtschaft als auch im Medienbereich engagiert ist. Der Konzern, der ein Angebot zur vollen Übernahme gemacht hat, besitzt die hochmodernen Billancourt-Ateliers, das Kopierwerk Eclair, ist mit 25Prozent bei Canal Plus und mit 27Prozent bei der Kino- und Vertriebskette UGC beteiligt.
Als direkter Verhandlungspartner der Treuhand agiert die Immobilienfirma Phenix, ein Tochterunternehmen des Mischkonzerns. Im Rahmen des CGE-Angebots spielt auch der Medienmulti Bertelsmann eine Rolle. Über Canal Plus und den Pay-TV-Sender Premiere sind bereits geschäftliche Bande zwischen den beiden kapitalkräftigen Konzernriesen geknüpft. Bertelsmann versprach, die DEFA — im Fall einer Entscheidung für CGE — für seine Ufa-Film- und TV-Produktion zu nutzen. Regisseur Volker Schlöndorff ist als künstlerischer Leiter des Projekts im Gespräch. Auch ein Zuckerl für die Länder Berlin und Brandenburg birgt die Offerte: Sie sollen sich an der DEFA beteiligen und somit auch nach der Übernahme der Investoren mitreden dürfen.
In Konkurrenz zum Großkapital ziehen mittelständische UnternehmerInnen ins Feld. Die Werbefilmfirma „Filmhaus München“ von Hans-Joachim alias „Bulle“ Berndt hat ebenfalls für eine volle Übernahme der DEFA Interesse angemeldet. Dem Vernehmen nach können in diesem Angebot auch Kooperationspartner einbezogen werden. Die Dieter Geissler-Filmproduktion aus München möchte sich als Teilhaber engagieren. Eine Gemeinschaft von Berliner Filmproduzenten — darunter Regina Ziegler, Otto Meissner, von Vietinghoff, Allianz Film und die Berliner Synchron — wollen mit einem Drittelangebot Babelsbergs Filmindustrie zum Leben erwecken. „Mit eigenem Geld, Erfahrung und Know How wollen wir Rechte und Pflichten übernehmen“, sagte Frau Ziegler gegenüber der taz. Außerdem sei es das erste Mal, daß „Einigkeit“ unter den Produktionsfirmen bestünde.
Wie soll nun die Treuhand entscheiden? Solange nur wenige Details der Angebote bekannt gemacht werden, ist es schwer einzuschätzen, welches attraktiver ist. CGE — das klingt nach europäischen Co-Produktionen, nach einem offenen, international operierenden Medienunternehmen, wie es sich schon der ehemalige Berliner Filmbeauftragte Hans Robert Eisenhauer vor zwei Jahren für die DEFA gewünscht hat. Schon hat man ein Hollywood in Babelsberg vor Augen, sieht den deutschen Film aus dem provinziellen Mief herauswachsen. Außerdem stimmt die Kasse des Konzerns. Eine große Kapitalkraft kann für den langen finanziellen Atem sorgen, der für diese Entwicklung nötig ist.
Nur wenige Details der Angebote bekannt
Doch auch kritische Töne wurden laut: Konkurrentin Ziegler warnte vor dem Großinvestor. Sie befürchtet, daß das CGE-Interesse vor allem mit der kostbaren Immobilie verbunden sei. „Was man für zehn Mark kauft, kann man später für 250 wieder verkaufen“, sagte sie gegenüber der taz. Auch der Evangelische Pressedienst ('epd‘) griff diese Kritik auf und notierte zu dem Konzern, der nicht zuletzt mit Immobilien sein Geld verdient: „Diese Konstellationen beförderten den Eindruck, die CGE wolle das DEFA-Gelände weitgehend nur für große Bauprojekte nutzen, zumal die großen Filmateliers in Westeuropa — darunter auch französische Filmstudios im CGE- Besitz — unter einer mangelhaften Produktionsauslastung leiden.“
Ob die Region Berlin-Brandenburg einen oder zwei Medienstandorte verkraften kann, ist ein weiterer Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Auf eine etwas schwammige Formulierung zu diesem Thema haben sich die beiden Länder in dem jüngst ratifizierten Medienstaaatsvertrag geeinigt: „Berlin beteiligt sich am Aufbau Babelsbergs als einem Schwerpunkt der Film- und Fernsehproduktion“, heißt es darin. Zum medienpolitischen Eklat kam es vor einigen Tagen, weil der Berliner Senat auf die Fernsehproduktion auf dem ehemaligen DFF-Gelände in Adlershof nicht verzichten will. Die Brandenburger und auch manch ein Medienexperte befürchten jetzt eine Überkapazität, die der DEFA die Chancen vermasselt.
Das zerrt an den Nerven
„Erwartungsvoll“ — so formulierte man in der DEFA-Pressestelle — sehe man nun der Entscheidung entgegen. Kein Blatt vor den Mund nahm der DEFA-Betriebsratsvorsitzende Jan-Peter Schmarje: „Das zerrt an den Nerven.“ Welche Entscheidung er sich für die Zukunft wünsche, vermochte er nicht zu beurteilen, da er nur „Namen, keine Konzepte“ kenne. Doch da die UNESCO die berühmten Ateliers unter Denkmalschutz gestellt habe und sie zur Lagerung von Bananen ungeeignet seien, hat er Hoffnung, daß sich auf dem Gelände etwas im Medienbereich tun wird. Die Sicherung von Arbeitsplätzen interessiere die DEFA-Leute in erster Linie. Viele von ihnen haben ja ihren Job schon verloren, und „wer ein Angebot bekommt, geht“. So verliert die DEFA viele Talente und damit ein Pfund, mit dem sie wuchern kann. Ob Mittelständler oder Großinvestor — eine Entscheidung läßt sich nicht länger aufschieben, wenn nicht auch noch eine Investitionszulage für die neuen Bundesländer, die Anfang Juli ausläuft, verspielt werden soll. Auch wenn es noch ein Happy End in Babelsberg geben sollte und wenn man wichtige filmpolitische Entscheidungen nicht übers Knie brechen kann: In jedem Fall hat die Treuhand in der Vergangenheit schon viel Zeit verplempert.
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