: Das andere Gesicht der Ausstellung
■ Am Abend vor der offiziellen Eröffnungsfeier löste die Polizei von Sevilla eine Spontandemonstration von Gegnern der Mammutveranstaltung Expo mit Gewalt auf
Am Sonntag abend, während auf dem Expo-Gelände die letzten Vorbereitungen auf Hochtouren liefen, zeigte Sevilla noch ein anderes als sein bekanntes, lächelndes Gesicht. Die Teilnehmer eines Musikkonzerts gegen die Expo 92, das auf einem Platz in Sevilla stattfand, formierten sich am späten Nachmittag zu einer Spontandemo gegen das Spektakel. Eine gute halbe Stunde konnten etwa 400 Expo-GegnerInnen, zumeist Punks und Autonome, darunter auch eine Reihe Deutscher, ungestört durch Sevilla ziehen, ohne daß es zu Ausschreitungen oder Auseinandersetzungen gekommen wäre. Schließlich tauchte eine Polizeistreife auf, die kurz danach durch einen Patrouillenwagen verstärkt wurde.
Wie ein Demonstrationsteilnehmer erzählte, versuchten die sechs anwesenden Polizisten, die ungenehmigte Demo durch Knüppeleinsatz aufzulösen. Hunderte DemonstrantInnen rannten zuerst davon, stellten dann aber Autos als Barrikaden auf die Straße und wandten sich schließlich gegen die knüppelnde Minderheit. Die Polizisten, offensichtlich in Panik, zogen die Pistolen und schossen. Nach Polizeiangaben wurden zwei Personen, ein Demonstrationsteilnehmer und eine Passantin, durch die Schüsse verletzt (die Polizei behauptet, durch abprallende Kugeln); sie lagen am Montag auf der Intensivstation im Krankenhaus; die Leitung des Hauses weigerte sich gegenüber der taz jedoch, über den Gesundheitszustand der Verletzten Auskunft zu erteilen.
Ebenfalls nach Polizeiangaben wurden 39 Demonstrationsteilnehmer, darunter zahlreiche Ausländer, auch Deutsche, festgenommen. Darüber hinaus soll eine Reihe von Polizisten verletzt worden sein.
Mit einer Stimme gegen die Lobhudelei
Zahlreiche linke Gruppen aus ganz Spanien waren in diesen Tagen nach Sevilla gekommen, um an einer Veranstaltungsreihe gegen die Weltausstellung teilzunehmen. Während der vergangenen zwei Jahre hatte es in Spanien vereinzelt Gegenveranstaltungen zu dem Mammutprojekt gegeben, doch die jetzige Diskussionsreihe sollte eine Stimme gegen das einmüte Lob für die Ausstellung sein. Die Nord-Süd-Beziehungen, die 500-Jahresfeier aus der Sicht der Indios und soziale und Umweltfolgen der Expo waren Themen dieser Vortragsreihe, an der auch der französische Philosoph Roger Garaudy und die Grünen-Abgeordnete Eva Quistorp teilnahmen. Dem Dominikanerpater Bartolome de las Casas, der im 16. Jahrhundert die spanische Ausrottungspolitik gegenüber den Indios angeprangert hatte, wurde eine Ehrung zuteil. Am heutigen Dienstag soll die Ausstellung Das andere Gesicht der Expo eröffnet werden.
Nach Angaben der Veranstalter des Kongresses — Umweltschutzgruppen, die spanischen Grünen, Friedensgruppen und die Gewerkschaft Comisiones Obreras — wurde die Organisation der Veranstaltungsreihe von den Behörden ohne Unterlaß behindert, bis sie schließlich halblegalen Status bekam.
Im „Patio“, einem alternativen Zentrum im Zentrum der andalusischen Stadt, herrschte am Montag abend angesichts der Verhaftungen und Verletzten Ratlosigkeit und Wut. Vermißte wurden gesucht, Plena abgehalten, künftige Aktionen beratschlagt. Lautstarke Kritik an der Expo ist offiziellerseits nicht erwünscht, das war allen klar. Nur daß diese Kritik zur Not auch mit Schüssen unterdrückt würde, hatte niemand erwartet.
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