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Erlöse treiben Kleinbauern in den Ruin

Kaffeeproduktion wird für die zentralamerikanischen Kleinanbauer zum existenzbedrohenden Luxus  ■ Aus Managua Ralf Leonhard

Vor dem Zweiten Weltkrieg machten in Zentralamerika viele Einwanderer in wenigen Jahren ein Vermögen mit dem Anbau von Kaffee. Noch vor kurzem galt hier der Kaffeebaron als Inbegriff des prosperierenden Agrarunternehmers. Heute stehen Tausende kleine Kaffeeproduzenten vor dem Ruin. Die Dumpingpreise decken nicht einmal mehr die Produktionskosten. Die zentralamerikanischen Kaffeebauern rufen dringend nach staatlichen Stützungsprogrammen, um wirtschaftlich überleben zu können. Noch vor zwölf Jahren, als die Importeure für Hochlandkaffee noch fast 180 Dollar pro Sack zahlen mußten, bezogen allein die mittelamerikanischen Länder mehr als die Hälfte ihrer Deviseneinnahmen aus dem Kaffee-Export. Doch seit vor zwei Jahren das Kaffeeabkommen zerbrach, ist nicht mehr der Genuß von Kaffee, sondern dessen Anbau zu einem teuren Luxus geworden.

Frau Nora Betanco in San Marcos, 40 Kilometer südlich von Managua, bewirtschaftet einen Musterbetrieb von sieben Hektar. Für mittelamerikanische Verhältnisse ein ansehnlicher Besitz, der der Familie einen bescheidenen Wohlstand gebracht hat. Die Ernte ist vor wenigen Wochen zu Ende gegangen, der Kaffee gerade exportiert. Trotz guter Ernte reicht der Erlös Frau Betanco kaum, um den Kredit an die Bank zurückzuzahlen, den sie für die Entlohnung der Erntearbeiter, für Transport, Dünger und Herbizide aufnehmen mußte. Der Nettojahresgewinn ist gleich Null. Nach der Aufhebung des staatlichen Außenhandelsmonopols springt auch die Regierung nicht mehr mit Kompensationszahlungen ein. Während die Großproduzenten jetzt ihre Ernte lieber einlagern und auf bessere Zeiten warten, bleibt den kleinen Bauern oft nichts anderes übrig, als Hypotheken auf ihren Grund und Boden aufzunehmen. Im nächsten Jahr sind sie ihr Stück Land dann los. Allein in Nicaragua hängen über 150.000 Familien direkt von der Kaffeeproduktion ab, in El Salvador eine halbe Million. Für den Staat jedoch, der den Export kräftig besteuert, ist der Kaffee auch heute ein Geschäft. Deshalb fordern die Produzenten energische Maßnahmen, die über die jüngsten Steuererleichterungen hinausgehen. In der Bergregion Jinotega, wo ein Drittel des nicaraguanischen Kaffees gewonnen wird, drohten die Bauern bereits mit Straßenblockaden, falls der Staat nicht bald einspringt. Wenn die Kaffeebauern pleite machen und auf andere Produkte umsteigen, droht zudem eine ökologische Katastrophe, denn der Hochlandkaffee braucht Schatten und wird zwischen Obstbäumen und tropischen Edelhölzern angebaut. Wenn jetzt die Kaffeesträucher weichen müssen, werden auch bald die Bäume gefällt.

Die Regierungen blieben nach dem wachsenden Unmut der Landbevölkerung nicht untätig. So verlangen die fünf zentralamerikanischen Länder die Rückkehr zum alten System der Exportquoten, das einen Mindestpreis garantiert. Die Länder liefern gemeinsam elf Prozent des Weltkaffeexports und werden nur noch von Brasilien übertroffen. Die Brasilianer widersetzen sich bis zuletzt, denn sie produzieren vor allem den billigeren Tieflandkaffee und machen ihre Gewinne über die erzielten Mengen.

Alvaro Jimenez, ehemaliger Direktor des costaricanischen Kaffeeinstituts, glaubt aber, daß frühestens in drei Jahren mit einer Erholung des Kaffeepreises zu rechnen ist. Denn bis dahin reichen die weltweiten Reserven, die durch die jahrelange Überproduktion entstanden sind. Doch dann, so fürchten die Kleinproduzenten, werden Tausende lateinamerikanische Kaffeebauern ihr Land verloren haben.

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