: Die billige Privatisierung der Bahn
■ CDU-Verkehrspolitiker wollen Bahn privatisieren, ihr aber vorher Grundstücke wegnehmen/ Auch im Schienenbereich müßten „die öffentlichen Kassen entlastet werden“ / Bahn wartet auf die SPD
Berlin (taz) — Die CDU-Verkehrspolitiker unterstützen ihren Minister Günther Krause beim Vorhaben einer möglichst billigen Privatisierung der deutschen Bahnen. Auch bei den Bahnen müßten „die öffentlichen Kassen entlastet werden“, so der CDU-Verkehrspolitiker Dirk Fischer gestern in Bonn. Durch natürliche Fluktuation soll der Personalbestand beider Bahnen bis zum Jahr 2002 von gegenwärtig 400.000 auf 227.000 abgebaut werden, das Schienennetz von 40.000 Kilometer aber größtenteils erhalten bleiben.
Bundesbahn und Reichsbahn sollen nach dem Thesenpapier des Bundesfachausschusses Verkehr, das Fischer vorstellte, zunächst zusammengeschlossen werden. Der Fahrweg und der Transport würden danach in zwei Aktiengesellschaften zusammengefaßt, die unter dem Dach einer bundeseigenen Holding vereint werden sollen. Die nicht benötigten Grundstücke der Bahnen sollten dabei verkauft werden, um die öffentlichen Kassen zu schonen. Später könnte die Holding verschwinden, und zurück blieben zwei selbständige Aktiengesellschaften. Der Bundesverkehrsminister war schon in der vergangenen Woche mit ähnlichen Gedankenspielen zitiert worden.
Das Verkehrsministerium habe in den vergangenen Tagen den anderen Bonner Ministerien und den Ländern insgesamt fünf Modelle für die Bahnreform zur Diskussion zugeleitet, hieß es im Verkehrsministerium. Das skizzierte Modell firmiert nach einem Bericht des 'Handelsblatts‘ dabei als Nummer vier. Variante eins sieht dagegen vor, die Bahn in drei Sondervermögen des Bundes aufzuteilen. Variante zwei sieht ein Sondervermögen für den Fahrweg und eine Aktiengesellschaft für den Transport vor. Variante drei ging von der Umwandlung beider Bahnen in eine einzige Aktiengesellschaft aus, und Variante fünf nähme das Ergebnis der jetzigen Überlegungen, nämlich zwei selbständigen Aktiengesellschaften, schon jetzt vorweg.
Voraussetzung für alle fünf Modelle ist eine vorherige Entschuldung der Bahn und eine Übernahme der Lasten, die durch den Verlust des Beamtenstatus für viele Bahnbeschäftigte verbunden wären. Der Bund müßte insbesondere Rentenversicherungsbeiträge nachzahlen. In Bonn geht man dabei von einer dreistelligen Milliardensumme aus. Zur Reduzierung dieser Milliardensumme ist offenbar der Ausverkauf nicht mehr benötigter Bahngrundstücke vorgesehen.
Die jetzt von der CDU und auch vom Ministerium bevorzugte Variante wird vom Chef beider Bahngesellschaften, Heinz Dürr, skeptisch gesehen. Auch Fischer räumte Meinungsunterschiede mit Bahnchef Dürr in Fragen der Organisation der künftigen, vorerst bundeseigenen, Deutschen Eisenbahn AG (DEAG) ein. Dürr möchte der Bahn gern die kostbaren Immobilien erhalten. Dazu soll neben den beiden Aktiengesellschaften für Transport und Fahrwege eine dritte etabliert werden, in die die Bundesbahn ihr Immobilienvermögen einbringen könnte. Das Immobilienvermögen könnte zur Stärkung des Eigenkapitals der Bahn dienen und ihr so unternehmerische Spielräume sichern, hieß es dazu in Frankfurt. Man warte gespannt auf die SPD, so ein Bundesbahnsprecher.
Das Bundeskabinett will sich noch vor der Sommerpause mit den Konzeptvorschlägen befassen. Krause hat den Ministerkollegen immer wieder vorgerechnet, daß sonst bis zur Jahrtausendwende eine zusätzliche Belastung von 417 Milliarden Mark für den Bund drohe. Ein solcher Finanzbedarf lasse ohne Gegenmaßnahmen „den bisherigen politischen Alptraum von der Bahn als Haushaltsrisiko bald bittere Wirklichkeit werden“, meinte jetzt auch sein Sprachrohr Fischer noch einmal. Hermann-Josef Tenhagen
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