: Richard braucht jetzt Ruhe
■ Bewegendes Theater an mobilem Ort: „Der Junge im Bus“ in Bremerhaven
Regisseur Peter Koettlitz und sein Ensemble aus jugendlichen Laien waren nervös wie selten bei einer Premiere des Bremerhavener Jugendtheaterprojektes. Mit dem Psychodrama „Der Junge im Bus“ riskieren sie als Spielort einen Linienbus der städtischen Verkehrsbetriebe: innen blau ausgeschlagen, mit blauem Teppichboden belegt und mit blauen Holzkisten fürs Publikum. Blau ist Richards Lieblingsfarbe.
Richard steht im Mittelpunkt des Kammerspiels für drei Personen, das die niederländische Autorin Suzanne van Lohuisen „für Kinder ab 10 Jahren“ geschrieben hat. Es hat aber hier so gar nichts von dem kindmundgerechten Zuschnitt vieler wohlmeindender Kinderstücke.
Richard ist „verrückt“. Er ist Mitte zwanzig, aber gefangen in den Konflikten des Zwölfjährigen: Die Mutter hatte damals den unberechenbaren Jungen verlassen und ihm zum Abschied den Bus geschenkt. Diese seine mobilen vier Wände sind Zuflucht und Gefängnis zugleich: Dort lebt Richard seine traumatische Beziehung zur Mutter in schizophrenen Zügen aus. Er fühlt sich von ihr gehaßt, gegängelt und vor allem um den Vater gebracht. Ihn malt sich Richard als strahlenden Erfolgsmann aus; in den Augen der Mutter war er ein versoffener Matrose.
In suggestiven Bildern macht Koettlitz die Ängste des Jungen ebenso sichtbar wie die Hilflosigkeit der hart gewordenen Mutter. Schöne, stille Szenen stehen zwischen schrillen Ausbrüchen. Rene Bange als Junge tobt durch den Mittelgang, wälzt sich in Krämpfen und turnt an den Haltestangen. Man glaubt ihm selbst die abrupten Verwandlungen zum sabbernden Kleinkind, das sich mit Schokopudding beschmiert und mit einer Schere auf die Mutter losgeht, um im nächsten Moment im Schoß der Pflegerin zu liegen.
Birgit Kirsch gibt der Pflegerin das nüchterne, lakonische Gegengewicht zur Verrücktheit des Jungen; und Britta Kluth und Dorothee Strake spielen abwechselnd die Mutter mit einer schroffen, dünnen Härte, durch die eine Art Verletzlichkeit scheint.
Nach kaum einer Stunde werden Richards Gäste von der Pflegerin aus dem Bus gebeten, ohne daß sie Beifall klatschen dürften („Richard braucht jetzt Ruhe“). Und das diesen exzellenten DarstellerInnen: Daß sich in allen geplanten 75 Aufführungen keine Hand rühren darf zum verdienten Lob! Hans Happel
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