: Tatort Steintor: Die Türken schlagen zurück
■ Am Samstag abend kam es zu einer Massenschlägerei zwischen Schwarzen und Türken
„Alle Dealer sollen weg hier. Alle“, sagt der kleine Türke. 19 Jahre alt ist er, in Bremen geboren, gehört zur Szene der Imbiß- und Giros-Läden Vor dem Steintor. Am Samstag abend haben sie erstmals zugeschlagen: „Wir haben uns um 9 Uhr vor dem Stern Video getroffen“, erzählt er freimütig. Etwa 20 junge Türken, gegenüber auf der anderen Straßenseite des Steintor stand eine Gruppe Schwarzer. Wenige Minuten später lagen zwei der Schwarzen auf dem Boden. Ein anderer Türke macht typische Bewegungen des Zusammenschlagens, „ab und an braucht man Training“, sagt er sarkastisch.
Türken gegen Schwarze. Warum? „Es soll langsam sauber werden in Deutschland“, wiederholt einer der Türken immer wieder. „Jetzt haben wir die Schnauze voll“, sagt ein anderer. Zwischen dem kleinen „Kismet“ und dem Istanbul Grill traute sich am Samstag abend kein Schwarzer mehr vorbei. „Wenn die wiederkommen, schlagen wir wieder.“
Die „Taverna Hyppokrates“ direkt neben dem Puff am Ziegenmarkt ist ein multikurelles Geschäft: Der Betreiber ist Grieche, angestellt ist ein Kurde, ein Schwarzer aus Afghanistan, natürlich Türken. Der Afghane ist nicht ganz einverstanden mit dem türkischen Vorgehen: „Wir Ausländer müßten zusammenhalten, gegen die Rechtsradikalen“, sagt er. Gegen Dealer ist er aber auch. „Aber warum geht das nach Hautfarbe? Warum werden nur die Schwarzen geschlagen, nicht die Kurden, die dealen?“ — „Die kommen auch dran“, sagt ein Türke und guckt versunken in sich hinein. Der griechische Ladeninhaber findet, daß die deutsche Polizei „schläft“. Was er überhaupt nicht versteht, ist, daß festgenommene Schwarzte, die offenbar mit ein paar Gramm Heroin erwischt worden sind, nach einer Stunde wieder freigelassen werden. „Man sollte sie zwei Jahre einsperren und das im Fernsehen zeigen“, sagt er, kurzen Prozeß machen. „Soll ich ein paar Polizisten aus Griechenland holen?“
Daß die Polizei, als sie eine halbe Stunde nach dem türkischen Angriff auf die Schwarzen mit zehn Streifen-und Mannschaftswagen anrückte, mit den Schwarzen in ein Handgemenge geriet und einige Schwarze festnahm, nahmen die Türke mit diebischer Genugtuung zur Kenntnis: „Die Polizei kam zu spät. Sie wußte ja nicht...“ Mit der Polizei war auch der Krankenwagen gekommen und nahm einen der Schwarzen, der starke Kopfverletzungen hatte, mit. Einen Begleiter ließ die Polizei nicht mit in den Krankenwagen.
Schon am Freitag abend hatte es eine „Massenschlägerei“ zwischen Afrikanern und Türken gegeben. Eine 22jährige Drogenabhängige hatte offenbar nicht bezahlt und sich in ein Taxi geflüchtet. Es kam zu einer Auseinandersetzung einiger Schwarzer mit dem Taxifahrer, in die sich umstehende Türken massiv einmischten.
Daß der Kampf im Steintor einfach einer zwischen schwarzen Dealern und türkischen Giros- Betreibern ist, die endlich eine Chance wittern, sich gegen die Beeinträchtigung ihrer Geschäfte zur Wehr zu setzen, darf bezweifelt werden. Jahrelang hat auch türkische Giros-Bedienung den Drogenabhängigen die gestohlenen Gegenstände abgekauft und durch Hehlerei mitverdient. Auch daß nur „die Schwarzen“ und „die Kurden“ am Drogenhandel beteiligt sind, wird bestritten. Ein kurdischer Verkäufer: „Türken dealen auch. Aber die Schwarzen verkaufen billiger.“ Von „rivalisierenden Drogenbanden“ weiß auch die Polizei. Im Protokoll über das Wochende, das am Sonntag mittag der Presse gegeben wurde, steht allerdings von dem Samstag abend kein Wort. K.W.
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