: Mit Pessismismus in die fünfte Runde
Zu Beginn der Nahost-Friedensgespräche in Washington herrscht keine Hoffnung auf Durchbrüche/ Palästinenser erwarten harte Verhandlungen über Interimsregelungen in den besetzten Gebieten ■ Aus Amman Lamis Andoni
Offiziell beginnt heute in Washington die fünfte Runde der Nahost- Friedensgespräche. Weder Israelis noch die arabischen Vertreter versprühten im Vorfeld Optimismus über zu erwartende Durchbrüche. Die Delegierten Jordaniens, Syriens, Libanons sowie der Palästinenser reisten vor allem nach Washington, um die US-Regierung nicht zu verärgern und Friedenswillen zu demonstrieren.
„Wir nehmen an dieser Runde teil, weil Washington darauf besteht, daß alle Seiten anwesend sind, um den Prozeß am Leben zu halten. Wir erwarten aber keinerlei Fortschritte“, erklärte der Palästinenser Ghassan al-Khatib vor der Abreise. Der Pessismus wird auch von den Mitgliedern der anderen arabischen Delegationen geteilt. „Es gab keinerlei Fortschritte in irgendeiner Frage“, resümiert ein jordanischer Unterhändler die Verhandlungen der letzten sechs Monate und legt Wert darauf, nicht beim Namen genannt zu werden. Dennoch ist den Regierungen der vier arabischen Teilnehmerstaaten gewahr, daß ein Boykott der Washingtoner Gespräche den eigenen Anliegen nur Schaden würde.
Beobachter erwarten harte Verhandlungen, besonders für die Palästinenser. Man geht davon aus, daß Israelis und USA die Vertreter aus den besetzten Gebieten unter Druck setzen werden, über Interimsregelungen und -strukturen für den Gazastreifen und die Westbank zu diskutieren, ohne daß sich Israel auf einen ultimativen Siedlungsstopp einläßt. Während der letzten Gesprächsrunde in Washington, Ende Februar, kam es zu erbittertem Streit zwischen Palästinensern und Israelis über eben solche Regelungen. Ein damals vorgelegter palästinensischer Plan sieht eine Interimsphase bis zur vollständigen Machtübergabe der Israelis vor. Schon mit Einsetzen dieses Abschnitts soll der schrittweise Abzug der israelischen Truppen abgeschlossen sein. Israel dagegen bietet begrenzte Verwaltungsvollmachten an, besteht aber weiterhin auf der eigenen Herrschaft in den Gebieten. Angesichts der für Juni anstehenden israelischen Parlamentwahlen machen sich die Palästinenser keine Hoffnungen, daß die israelische Delegation in Washington einen Schritt von dieser Linie abweichen wird. Dennoch sind die Palästinenser nicht in der geeigneten Ausgangsposition, um die israelischen Vorschläge rigoros abzulehnen.
Im vergangenen Monat schickte US-Außenminister Baker drei hochrangige Mitarbeiter in die Westbank. Sie machten ihren palästinensischen Gesprächspartnern unmißverständlich klar, daß Baker von ihnen erwarte, „sich weiterhin an den Verhandlungen zu beteiligen“ und konkrete und praktikable Ideen zu präsentieren. Baker, der ebenfalls für einen israelischen Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten plädiert, lehnt dies jedoch als Vorbedingung für weitere Verhandlungen ab. Den palästinensichen Plan kritisierte er als „Entwurf für einen palästinensischen Staat, der ein endgültiges Ergebnis der Verhandlungen vorwegnimmt.“
Der palästinensische Delegierte Dr. Saeb Eireikat beschrieb vor seiner Abreise die palästinensische Strategie wie folgt: „Was uns jetzt bevorsteht, sind Verhandlungen über verschiedene Aspekte von Interimsregelungen, zum Beispiel in den Bereichen medizinische Versorgung oder Bildung, ohne daß wir in unseren Grundforderungen nach Siedlungsstopp und vollständigem israelischen Abzug nachgeben.“
Ein weiterer Konflikt in den Gesprächen bahnt sich in Form des angekündigten israelischen Vorschlags an, in den besetzten Gebieten Kommunalwahlen durchzuführen. Die Palästinenser machten im Vorfeld klar, daß sie den israelischen Vorschlag als Ablenkungsmanöver von ihrer Forderung nach Wahlen zu einem legislativen Rat für die gesamten besetzten Gebiete halten. Die PLO in Tunis, die nicht direkt an den Gesprächen in Washington beteiligt ist, aber ständigen Kontakt zu den palästinensischen Delegierten hält, signalisierte bereits ein klares „Nein“ zu dem Vorschlag.
Auch wenn von arabischer Seite wenig Optimismus über die fünfte Gesprächsrunde verbreitet wird, so wird ihr Verlauf doch die Entscheidungen über die Teilnahme an der für Mitte Mai geplanten zweiten Phase der sogenannten multilateralen Gespräche beeinflussen. In fünf über den Globus verstreut tagenden Arbeitsgruppen soll dann über die Themen Flüchtlinge, Wasser, Wirtschaft, Abrüstung und Ökologie verhandelt werden. Syrien und Libanon hatten die Auftaktveranstaltung dieser Gespräche im Februar in Moskau bokottiert. Diesmal droht Israel, den multilateralen Gesprächen fernzubleiben, da die Palästinenser erwägen in die Arbeitsgruppen „Flüchtlinge“ und „Wirtschaft“ auch Palästinenser aus der Diaspora zu delegieren. Israel besteht darauf, daß an allen Gesprächen nur Palästinenser von der Westbank und dem Gazastreifen beteiligt werden.
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