: Der Jäger 90 schmiert ab
Das schwedische Kampfflugzeug „Jas 39 Gripen“ wird das teure Prestigeprojekt der deutschen Rüstungsindustrie, den „Jäger 90“ ausstechen ■ Aus Bonn Andreas Zumach
In der Bonner Mission des Königreichs Schweden knallten am späten Freitag nachmittag letzter Woche die Sektkorken. Vom Botschafter bis zur Pförtnerin stießen alle miteinander an. Das ist guter wöchentlicher Brauch.
Doch vor drei Tagen gab es einen zusätzlichen Sektanlaß, insbesondere für die Handels- und die Militärabteilung der Botschaft. Schweden steht kurz vor einem höchst lukrativen und international prestigeträchtigen Außenhandelsgeschäft: dem Verkauf des Kampfflugzeuges Jas 39 Gripen („Der Greif“) an die Deutschen. Wenn nicht in letzter Minute bislang unbekannte Konkurrenten oder völlig neue Gegenargumente auftauchen, dürfte das Produkt des schwedischen Automobil- und Luftfahrtunternehmens Saab-Scania das teuerste und mit dem Namen des größten deutschen Konzerns verbundene Rüstungsprojekt der deutschen Nachkriegsgeschichte ausstechen: den Jäger 90, dessen erster Prototyp unter anderem von MBB (Daimler- Benz-Konzern) gebaut wird.
Am Mittwoch letzter Woche traf im Bonner Verteidigungsministerium ein schriftliches Angebot aus der Saab-Scania-Zentrale in Linköping ein. 89 Millionen Mark soll „Der Greif“ die deutschen Steuerzahler kosten. Das liegt weit unter dem Preis für den „Jäger 90“, der in einem jüngsten vertraulichen Bericht der Rüstungsabteilung der Hardthöhe an Minister Rühe inzwischen 135 Millionen Mark kosten soll.
Wenn der Saab-Scania-Beauftragte Harald Schröder am 6. Mai in Bonn eintrifft zu Verhandlungsgesprächen mit der Hardthöhe und dem Luftfahrtbeauftragten der Bundesregierung, hat er beste Karten. Mit 89 Millionen Mark wäre Jas 39 Gripen nicht nur weit billiger als der Jäger 90, sondern auch als der französische „Rafaele“, sowie die F-16 der USA bzw. die vom Pentagon erst für das kommende Jahrtausend geplante F-22. Weniger Geld als die Schweden verlangen lediglich die Russen für ihre MiG-29. Doch die kommt für die Hardthöhe nicht in Frage, vor allem wegen der völlig ungeklärten Ersatzteilversorgung.
Und in dem 89-Millionen-Angebot aus Linköping gibt es offensichtlich noch Verhandlungsspielraum nach unten. In Schwedens Bonner Botschaft wird ein Stückpreis von 40 Millionen Mark für den „Greif“ in seiner Ausführung für die heimische Luftwaffe genannt. Dazu kämen bis zu 60 Prozent Aufschlag für die deutsche Exportversion — also insgesamt nur 64 Millionen.
Die Meinungsbildung im Bundesverteidigungsministerium steht unter massivem Einfluß von MBB und andern Jäger-90-Lobbyisten. In einer am 10. März vorgelegten Vergleichsstudie für die zuständige Bonner Parlamentarierkommission hatte die Hardthöhe noch einmal auf eine Entscheidung für den (damals nur auf 111,4 Millionen Mark bezifferten) Jäger 90 gedrungen. Unter Berücksichtigung der Kriterien Kosten, Sicherheit, militärische Anforderungen und Wartung sei er den anderen Alternativen überlegen.
Wenn die Parlamentarierkommission am 5. Mai — einen Tag vor der Visite des Saab-Scania-Beauftragten — wieder zusammentrifft, findet sie eine deutlich veränderte Ausgangslage vor. Nicht nur in puncto Kosten, sondern auch hinsichtlich der beiden in der Vergleichsstudie gegen eine Anschaffung von Jas 39 Gripen angeführten Gründe. Ein Flugzeug für 135 Millionen Mark gilt auf der Hardthöhe inzwischen als nicht mehr durchsetzbar im Parlament. Das Argument, der „Greif“ habe nur ein Triebwerk und sei daher absturzgefährdeter als zweimotorige Kampfflugzeuge, haben die Schweden inzwischen wiederlegt. Auf die Kritik, Jas 39 Gripen sei kein rein für den Luftkampf gebautes Jagdflugzeug (im Unterschied zum Jäger 90), sondern ein zusätzlich auch für die Bekämpfung von Bodenzielen und für Aufklärungsaufgaben konstruierter Allzweckfigter reagieren sie gelassen. Für die Schweden ist das noch unter den Bedingungen der West-Ost- Konfrontation in Europa entwickelte Jäger-90-Konzept „längst völlig überholt“. Sie rechnen mit der „Einsicht“ im Bonner Verteidigungsministerium, daß sich der Allzweckfighter aus Schweden „doch sehr viel besser eignet“ als Antwort auf neue Aufgaben und Bedrohungen im Süden, die ja auch in Bonn erkannt worden seien.
Darüber hinaus haben die Schweden noch einige weitere Bonbons parat, um Bonn den Abschied vom Jäger 90 und vor allem eine Befriedigung von Kompensationsansprüchen der deutschen Rüstungs-und Luftfahrtindustrie zu erleichtern. Sie wollen Jas 39 Gripen nicht einfach an die Hardthöhe verkaufen, sondern streben eine „Technologiekooperation in großem Umfang“ an. In diesem Rahmen sei „durchaus vorstellbar“ daß die 200 bis 250 Kampfflugzeuge, die die deutsche Luftwaffe beschaffen will, nach den Saab-Scania- Plänen bei MBB gebaut werden „und dort Arbeitsplätze gesichert werden“. Außerdem sei „anders als beim Jäger 90 mit zusätzlichen Bestellungen anderer Länder, zum Beispiel Finnlands“ zu rechnen, die „zu weiteren Produktionsaufträgen an die deutsche Industrie führen könnten“. Schließlich bringt Stockholm die Möglichkeit eines lukrativen Auftrags an die Münchner Panzerschmiede Kraus-Maffei ins Spiel. Statt — wie bislang erwogen — 400 neue Kampfpanzer für die schwedische Armee in den USA, Frankreich oder Großbritannien einzukaufen, könne man sich ja auch für den kampfwertgesteigerten Leopard II entscheiden.
Sein Votum für das künftige Kampfflugzeug der Bundesluftwaffe dürfte Verteidigungsminister Rühe offiziell nicht vor der Sitzung der Parlamentarierkommission am 5. Mai bekanntgeben. Sollte er sich entscheiden, aus den diversen Angeboten der Schweden ein Paket zu schnüren, daß zu Einsparungen von Milliardensummen im Haushalt des Verteidigungsministeriums sowie zugleich zur Auslastung von Produktionskapazitäten in der deutschen Rüstungsindustrie führen würde, stände er glänzend da. Mit einem solchen Paket würde er die von der SPD bislang vornehmlich mit den hohen Kosten begründeten Bedenken ausräumen. Die in Bonn bislang ohnehin nur von einer Minderheit oppositioneller PolitikerInnen vorgebrachten grundsätzlichen Zweifel am Sinn der Anschaffung eines neuen Kampfflugzeuges dürften dann eine noch geringere Chance haben, auch nur angehört zu werden.
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