: Tristesse der Baukunst
■ Eine Werkstatt-Ausstellung in der Akademie der Künste — ein eher abschreckendes Beispiel für die Popularisierung eines interessanten Themas
Die Akademie der Künste im Hanseatenweg — ja, was soll man zu ihr in diesen wirren Zeiten noch sagen? Alles scheint in Auflösung begriffen, Bremser und Beschleuniger dieses »Künstler«- Kirmers-Kettenkarussels treten gleichzeitig auf, die Kritiken an der Mitgliederliste und dem daraus resultierenden Programm nehmen zu— und die eigene Arbeit, zum Beispiel am Ausstellungsprogramm der einzelnen Abteilungen, bleibt auf der Strecke. Ein kryptisches und ärgerliches Ergebnis dieser Tätigkeit ist derzeit im Foyer zu sehen.
Das Plakat zeigt Symbolträchtiges: Sterbender Genius der Baukunst. Eine zerbrochene dorische Säule mit einem über diese hingestürzten nackten Jüngling — als Versinnbildlichung des Unterganges der antiken Baukunst gedacht. Montiert aus einem Foto einer Fensterbrüstungsplatte des Hauptgeschosses der Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel. Der Titel der Ausstellung wird schlicht mit Bau-Akademie angegeben. Damit aber nicht genug: wie um allen Täuschungsvorwürfen im Vorfeld zu begegnen, steht der eigentliche Ausstellungssinn am rechten Rand des Plakats. Und da muß man schon tief Luft holen: »5. Werkstatt-Ausstellung der Hochschule der Künste, Fachbereich 2 — Architektur — Die akademische Forschung zu Baukunst, Baustoffen, Bautechnik, Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung vor 1945 ... die Versuche Hans Scharoun's, sie wieder aufzunehmen... und die Vergegenwärtigung der Bauakademie von Schinkel, die 1962 abgetragen wurde.«
Für jemanden, der das Ausstellungsprogramm der Abteilung Baukunst der Akademie seit Jahren kennt, für dieses Haus auch schon mal gearbeitet hat und zusätzlich an der angepriesenen Materie Interesse hat, fürderhin ein Muß. Alle aufkommenden Zweifel, ob denn ein so spezielles Ausstellungsprogramm wirklich im Foyer der Akademie der Künste zu sehen sein muß (und ob es nicht auch ein bißchen weniger Programmankündigung beziehungsweise Inhaltsangabe sein kann), werden mit dem selbstgegebenen Hinweis erledigt, daß das, was Architekten, Stadtplaner und Bauforscher in ihren Hirnen auskochen, alle in der Stadt lebenden Menschen angehen könne und sogar solle. Man kann das nicht immer mit dem alleinigen Hinweis auf Geschmacksfragen abtun, was uns baulich-räumlich umgibt. Zudem ist die Diskussion um den Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in vollem Gange — obwohl man gar nicht weiß, wie diese innen ausgesehen hat, da man bis zu ihrer Bombardierung vergaß, sie auch dort systematisch zu fotografieren. Als Vorbild für die Berliner Backstein-Renaissance im Industriebau im 19. Jahrhundert ist sie es aber allemal wert, so oft wie möglich als Zeugnis einer Berliner Baukultur ins Gedächtnis gerufen zu werden.
Also zum Hansaviertel. Das Foyer der AdK empfängt einen mit dunkler Kälte. Man hat sofort das einen nicht mehr verlassende Gefühl: »Die Ausstellung ist noch gar nicht fertig, noch gar nicht eröffnet, irgendwie ist das komisch hier, wo fängt das denn an, was ist denn hier, mein Gott, können die nicht mal den Anfang markieren, Mann, ist das dunkel hier, was ist denn das für'n Fassadenausschnitt, ist das alles klein geschrieben, aua! ach hier ist ja 'ne Treppe, nee, 'n Podest oder was, geh' ich jetzt links oder rechts... Mann, ist das hier besucherunfreundlich, bloß weg hier.«
Ich verstehe nicht, warum man so was als Ausstellung macht: 16 schwarze Säulen, inszeniert in einem lichtlosen Raum als Wald auf einem Podest im Rechteck (Vorsicht! Stolpergefahr!) — wohl einen Grundriß symbolisierend. Oder vielleicht sechs zwischen diesen Säulen befindliche thematische Straßen mit den Namen: Raumordnung, Städtebau, Wohnungswesen, Baukunst, Baustoff, Bautechnik? Das wär ja ganz schön. Ist es aber nicht. In die Säulen sind — recht hoch für kleine Leute! — Löcher geschnitten, hinter denen ein Lichtlein brennt, und zwar durch auf Folien kopierte DIN-A4- Seiten. Und das 256mal! Zweihundertsechsundfünfzig. Also eine aufwendig an die Wand, an die Säulen montierte Broschüre, die folgende Institutionen und ansatzweise deren Arbeit thematisiert (der Vollständigkeit halber, damit hier überhaupt was Inhaltliches steht und sowieso nur für Baufreaks!): Deutsche Akademie für Wohnungswesen (1941-1945), Deutsche Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplanung (1922-1945), Reichsstelle für Raumordnung (1935-1945), Forschung zur Mechanisierung des Wohnungsbaues bei der Generalbauinspektion der Reichshauptstadt Berlin (1938-1945), Deutsche Akademie für Bauforschung (1934-1945) und Akademie des Bauwesens (1880-1945). Ja, wer soll sich das denn angucken, so wie das präsentiert ist? Ich nicht. Nein, eine Ausstellung ist das nicht. Nö!
Und Schinkels Bauakademie? Ihre Geschichte wird mühsam hinten an einer ebenfalls schwarzen Wand entlang erzählt: postkarten- bis DIN- A4-groß, mit viel schwarzen Freiflächen, ebenfalls von hinten hinterhältig belichtet (oder besser: befunzelt). Nein, auch das macht keinen rechten Spaß. Und auch keinen Sinn.
Man kommt sich vor wie bei einer Ausstellung der letzten Seminararbeit in der Uni. Nun steht das zwar schon auf dem Plakat, das mit der »Werkstatt-Ausstellung« und der HdK. Warum aber um Gottes willen ist dann diese Ausstellung nicht dort zu sehen, wo sie im besten Falle hingehört: nämlich im Foyer der HdK oder am FB Architektur der TU — jetzt, wo das Semester anfängt? Was veranlaßt die Abteilung Baukunst der Akademie der Künste Berlin, das in ihren Räumen zu zeigen? (Und 25.000 DM Ausstellungskosten sind woanders auch vonnöten...)
Das Thema ist und wird nicht populär dadurch, daß man die Akademie dafür benutzt, Forschungen in diesem Stadium so aufwendig zu präsentieren. Und wenn, dann muß das mit Blick auf die Rezipienten, auf die Ausstellungsbesucher hin geschehen: und man muß die Lust verspüren, mit der so was gemacht wird. Das Ergebnis in der Akademie ist ein klassischer, nicht zu Ende gedachter Schnellschuß. Schon die letzte Werkstatt-Ausstellung (gleiche Konstellation von HdK und AdK und das gleiche »Forschungsprojekt«) am gleichen Ort, die sich der Grundrißarbeit des Berliner Architekten Hans Scharoun annahm, war von ähnlich kryptischer, unnötig aufgeblähter und nicht nachvollziehbarer Provenienz. Man kann nur hoffen, daß die in diesem Zusammenhang angekündigte Ausstellung zum 100. Geburtstag von Hans Scharoun im Jahr 1993 nicht von gleicher Geistlosigkeit, Lustfeindlichkeit und Tristesse getragen wird. Martin Kieren
Bau-Akademien, 5. Werkstatt-Ausstellung der HdK Berlin, Fachbereich 2 — Architektur , Akademie der Künste, bis 10 Mai.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen